Vorwort

Unter den zahlreichen Familiendokumenten, die mir mein Großvater mütterlicherseits hinterließ, fand ich folgende Schilderung seines Großvaters Arthur Wilhelm Richard von Lukowitz, in Sütterlin verfaßt. Die Übertragung des Textes fiel mir nicht leicht, da ich nicht mehr zu der Generation gehöre, die diese Schrift noch in der Schule gelehrt bekam. Einzelne Worte konnte ich nicht mehr entziffern, vielleicht gelingt es mir zu einem späteren Zeitpunkt.

Wie auch immer, der Text versetzte mich in Erstaunen, da ich bis dato nur Bilder meines Ururgroßvaters kannte, auf denen er stets auf mich als Paradebeispiel des erzkonservativen, stocksteifen Preußen wirkte. So kann der äußere Schein eben täuschen.

Pavitro Th. Papadopoulos

Autobiographische Schilderung des Arthur von Lukowitz (1854 - 1929)

Für Margarethe

Arthur Wilhelm Richard
 Geboren am 3. September 1854 in Danzig als einziger Sohn des Kaiserl. Geheimen Rechnungs-Rathes Alexander von Lukowitz und dessen Gattin Antonie geb. Calow, getauft am 2. November d. J. in der evangelischen Marienkirche dortselbst, verbrachte ich nach der im Frühling 1859 erfolgten Übersiedelung meiner Eltern nach Potsdam, wohin mein Vater am 31. Mai zur Königl. Oberrechnungskammer versetzt wurde, den größten Teil meiner Kindheit und meine Knabenjahre in der freundlichen Havelstadt. 

Schwächlich von Geburt an und von zahlreichen Kinderkrankheiten heimgesucht, durch den frühen Tod meiner einzigen Schwester Anna (1861) vereinsamt, wurde ich freilich meiner Kindheit wenig froh, und eine hartnäckige Schwerhörigkeit erschwerte mir sehr das Fortkommen in der Schule. Theils in der Vorschule des Herrn Bnösicke, theils durch Privatunterricht vorgebildet, kam ich zu Oktober 1864 auf das Gymnasium zu Potsdam und zu April 1870 auf das König-Wilhelm-Gymnasium in Berlin, wohin mein Vater am 8. April versetzt wurde. (Da ich dem Unterricht nicht genügend zu folgen vermochte, mußte ich durch verdoppelten häuslichen Fleiß und durch Inanspruchnahme vieler Nachtstunden das Versäumte nachholen.) 

Zum Militärdienst körperlich ungeeignet befunden, folgte ich am 2. Oktober 1873 einer Aufforderung des Geheimen Commissionsraths Pindter zum Eintritt in die Redaktion der konservativen, regierungsfreundlichen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“. Die interessante journalistische Tätigkeit, welche wie wenig andere geeignet ist, den Gesichtskreis zu erweitern, sagte mir außerordentlich zu. Freilich wurde, namentlich seit auch ein Morgenblatt herausgegeben wurde, meine Arbeitskraft übermäßig in Anspruch genommen. 

 Am 29. Juli 1878 vermählte ich mich mit meiner Cousine 2. Grades Wanda Pauline Friederike von Brauneck, geboren am 12. Juli 1856 auf dem Gute Zelenina bei Berent (evangelisch getauft am 9. September d. J. in Berent), Tochter des Gutsbesitzers Theodor Egbert v. Brauneck (geb. 9. September 1811 in Sulitz, Kreis Neustadt, Westpreußen, gest. 27. November 1874 in Berlin), einem Edelfräulein von ungewöhnlichem Liebreiz und Geistesadel, von seltener Herzensgüte und Seelengröße. Die Trauung - es war eine Doppelhochzeit, da Wandas ältere Schwester Elsbeth sich mit dem damaligen Premierleutnant Carl Protzen gleichzeitig vermählte - wurde von dem Generalsuperintendenten Büchsel in der Matthäikirche zu Berlin vollzogen. Nach einer dreiwöchigen Hochzeitsreise am Rhein und in der Schweiz bezogen wir unser erstes Heim in dem Hause Friedrich-Wilhelm-Straße 19 (jetzt Nr. 15), ....... Hauptstraße, wo am 14. Juli des nächsten Jahres unsere Tochter Margarethe das Licht der Welt erblickte.

 Am 24. November 1879 übernahm ich selbständig die Lokalredaktion der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, womit auch das Feuilleton, ..... und Theaterreferate, Bücherrezensionen u.a.m. verbunden war. Die ruhelose, ewig hastende Arbeit bis in die Nacht hinein, die häufigen Theaterbesuche, die Lektüre zahlloser Zeitungen und Bücher, der Druck der Verantwortlichkeit rieben allmählich meine Kräfte auf; meine ohnehin schwache Constitution war so großen Anstrengungen auf die Dauer nicht gewachsen, und nach fast zwölfjähriger Tätigkeit an der genannten Zeitung sah ich mich auf ärztliches Dringen genöthigt, meinen Beruf aufzugeben, um einer völligen Zerrüttung meiner Nerven vorzubeugen. 

Mein Austritt aus der Redaktion erfolgte am 31. Dezember 1884. Asthma(?) und Neurasthenie verdüsterten mein Gemüth, und es dauerte mehrere Jahre, bis meine Gesundheit wieder einigermaßen hergestellt wurde. Hierzu trugen viel die langen Sommeraufenthalte in der frischen See- und Gebirgsluft bei. Nachdem wir schon früher Misdroy (1882), Berchtesgaden (1883) und Gastein (1884) besucht hatten, unternahmen wir nunmehr längere und ausgedehntere Sommerreisen: so im Jahre 1885 nach Trier, Tegernsee, Reichenhall, über die Hohen Tauern ins Pusterthal, über Wien und Prag nach Dresden (Loschevitz [wohl Loschowitz bei Dresden, Anm. Papadopoulos]); 1881 u. 1886 auf das von Füldnersche Gut Maltsch, über Wien nach Ischl und weiter nach der Schweiz, dort Fußtour durch das ganze Vorderrheinthal, über den Oberalppaß, die Furka u. Grimtal u. Scheideck (Gr. Scheidegg) bis nach Interlaken. 

Dort hatte ich den großen Schmerz, am 24. Juli meinen guten Vater nach 10tägigem Krankenlager zu verlieren, nachdem ihm meine geliebte Mutter genau drei Vierteljahre vorher im Tode vorangegangen war. Da uns durch diesen Trauerfall die Schweiz verleidet war, kehrten wir über Basel heim, um später noch in Helgoland und Cuxhaven Aufenthalt zu nehmen. 

Um mein kleines Vermögen ertragreicher anzulegen, kaufte ich am 9./10. August 1887 das Haus Steinmetzstraße 54, dessen Verhältnisse in den ersten Jahren sehr gute, später aber sehr ungünstige waren, so daß ich nach fast neunjährigen Plackereien und Verdrießlichkeiten froh war, es am 9. Mai 1896 wenigstens ohne Schaden verkaufen zu können. Allerdings mußte ich dabei eine zweifelhafte Hypothek mit in Zahlung nehmen, welche mich in einen Prozeß verwickelte, den ich glücklicherweise gewann. 

Meine Cousine und Pflegeschwester Clara, welche seit dem Jahre 1868 im Hause meiner Eltern erzogen worden war, erhielt von mir nach dem Tode meines Vaters eine Ausstattungssumme von 15.000 Mark, heiratete ein Jahr später einen Kaufmann Georg Conrad in Lychen und starb am 10./11. November 1888 nach der Geburt eines Knaben. Während wir uns im Sommer 1887 mit einem kürzeren Aufenthalt an der Ostsee in Zoppot und Colberg begnügten, unternahmen wir im Jahre 1888 wieder eine längere Reise nach dem Süden, zunächst nach Berchtesgaden, dann eine Fußtour über den Hirschbühl und Lofer bis Reichenhall, Fahrt über Innsbruck und Meran bis Prad, Fußtour über das Stilfser Joch bis an den Comosee, Fahrt nach Mailand und zurück zum Lago Maggiore. Von... Fußtour über den Malojapaß und durch das Ober-Engadin nach Pontresina. Weitere Fußtour durch das Unter-Engadin bis Tarasp. Zuletzt Besuch des Achensees.

 Im Jahre 1889, am 22. Juni kauften wir das Haus Lutherstraße 12, Eckhaus der Kleiststraße, welche damals nur bis zur Lutherstraße reichte und nach Westen hin noch unbebaut und ungepflastert war. Dasselbe erforderte zwar in den ersten fünf Jahren noch bedeutende Zuschüsse, doch glich sich das später wieder aus, als sich die Gegend durch Bebauung hob, die Mieten stiegen und der Zinsfuß billiger wurde sowie durch die Umwandlung der Parterrelokalitäten in Läden. Bei dem Kauf und der Verwaltung unserer Häuser stand mir meine mit klarem Überblick, scharfem Verstand, praktischem Sinn und kühner Initiation begabte Gattin hülf- und erfolgreich zur Seite. 

Durch diesen Hauskauf um unsere gewohnte Sommerreise gekommen, entschädigten wir uns im Herbst 1889 durch den Besuch der Weltausstellung in Paris (24. Oktober - 4. November), wo wir u. a. auch den Eiffelturm bestiegen und eine Auffahrt mit dem Ballon... unternahmen. Dadurch, daß wir unserer Tochter Margarethe häuslichen Unterricht geben ließen, ermöglichten wir es, sie auf allen unseren Reisen mitzunehmen, zu denen sich ihre überaus fürsorgliche, gewissenhafte und liebevolle Mutter andernfalls niemals hätte entschließen können. Auf der Rückreise von Paris besuchten wir noch Brüssel und machten eine Rheinfahrt von Koblenz bis Rüdesheim und Abstecher nach dem Niederwalddenkmal, Wiesbaden und Frankfurt a.M. und hielten fernerhin Rast in Kassel (Wilhelmshöhe) und Halle. 

Im Mai 1890 machten wir eine Harzreise; im Juli gingen meine Frau und Tochter nach Binz auf Rügen und Anfang August nach Heringsdorf, wohin ich nachfolgte; doch hielt mich's nicht lange dort, ich machte allein einen Ausflug nach der Insel Rügen und durchstreifte sie in viertägigen langen Fußwanderungen und reiste dann nach Berlin zurück, wohin mich allerlei Haussorgen riefen. Im März 1891 machte meine Gattin eine Besuchsfahrt nach Siekholz in Ligge(?) und im April folgte ich mit meiner Tochter ihrem Beispiel und wiederholte diese Reise im Mai, um Margarethe den Sommer dort zu lassen in der Familie des Oberförsters Franke. 

Der Sommer sah uns wieder in Tirol, wohin ich meiner vorausgereisten Gattin im Juli folgte. Wir marschierten von Landeck über den Finstermünzpaß bis Mals (Malles Venosta) und von Prad zum zweiten Mal auf das Stilfser Joch (Abstecher im Suldental) und dann die ganze Tour zurück bis Landeck und weiter über Nassereith und den Fernpaß, über Parthenkirchen und Scharnitz bis Zirl. Ich mußte Mitte August wieder nach Berlin zurück, wegen der Häuser nach dem Rechten sehen, während meine Frau noch in Brixlegg blieb. Ich traf am 25. mit ihr in Eisenach zusammen, um Margarethe aus Sickholz heimzuholen. Böswillige Mieter und betrügerische Ladeninhaber nöthigten mich zu unangenehmen Prozessen und verursachten mir viele Verdrießlichkeiten. Einen Sonnenstrahl in trüber Zeit brachte uns die Geburt eines zweiten Töchterchens, Gertrud (10. Jan. 1892), in Haus. Mitte Juni reiste meine Gattin mit den Kindern nach Bayern (München, Feldafing) und Tirol (Sternach am Brenner) und Eben-Maurach am Achensee. Ich konnte ihnen erst gegen Ende August nach letzterem Orte nachfolgen, da ich inzwischen zwei Fahrten nach Swinemünde machen mußte, um eine Hypothekensache zu regulieren. Wir blieben in Eben und später in Brixlegg bis zum 20. September. Ich kehrte heim, während die Meinigen noch in München blieben, wo die kleine Gertrud an den Masern erkrankte. Dies verzögerte ihre Rückkehr bis gegen Ende Oktober. Am 29. September wurde ich in den Vorstand des deutschen Thierschutzvereins in Berlin gewählt, dem ich in der Folge 6 Jahre angehörte.

 Ende Juni suchte meine Familie wieder München und später der Starnberger See auf, während ich, durch Prozesse und andere unliebsame Vorkommnisse in den Häusern zurück gehalten, ihr erst Anfang August nachfolgen konnte. Wir nahmen wieder unsere Fußwanderungen auf, diesmal mit Trudchen im Kinderwagen. So zogen wir von Zirl in Tirol den steilen Berg hinauf nach Mittewald (Mezzaselva? oder Mittenwald?) und, nach einigen Aufenthalten daselbst, wieder zurück. Nach einer Wagentour durchs Stubaithal nahmen wir in Steinach am Brenner Aufenthalt. Von Mittewald durch zahllose Ohrwürmer(?), von Steinach durch eine Keuchhusten-Epidemie vertrieben, zogen wir nach Kufstein und Starnberg. Von dort reiste ich mit meiner älteren Tochter in der zweiten Septemberhälfte nach Sickholz in Ligga, um der Hochzeit unserer Freundin Alma Franke mit dem Premierleutnant Eugen Bollmeyer beizuwohnen. 

Während meine Frau mit Gertrud in München auf uns wartete, besorgten wir Anderen einen Umzug in eine andere Etage und andere Angelegenheiten in Berlin und verließen am 8. November die Heimatstadt, um ca. 1 ½ Jahre „fern von ...“ zuzubringen. Wir blieben zunächst einige Zeit in München und fuhren am 16. des Monats über Verona nach Venedig und verlebten dann den ganzen Winter in Fasano bei Gardone am Gardasee. 

Unser Hauptvergnügen bestand in ausgedehnten Kahnfahrten auf dem herrlichen See, und der Rudersport trug viel zur Stärkung unserer Gesundheit bei. Es war ein idyllisches Leben in unserer kleinen Villa, deren Garten an den See stieß, auf dem ein Kahn jederzeit zu unserer Verfügung stand. Zum ersten Mal verlebten wir das Weihnachtsfest und den ganzen Winter in der Fremde. Im Februar 1894 machten Margarethe und ich einen Ausflug zum Carneval nach Venedig und am 1. März alle zusammen über Mailand und Genua eine Fahrt bis San Remo, von dort eine Fußtour an der schönen Riviera nach Monte Carlo und weiter bis Nizza, wo wir vom 7. März ab einen vierwöchigen Aufenthalt nahmen. 

Am 6. April fuhren wir nächtlicherweise per Dampfschiff nach Genua zurück und kehrten wieder nach Fasano heim. Am 18. April reiste ich allein nach Berlin, logierte in meinem Hause Steinmetzstr. 54, um Hypotheken- und Hausangelegenheiten in Ordnung zu bringen. Ende Mai traf ich dann mit meiner Familie wieder in Kufstein zusammen, von wo (Wörgl) wir Fußtouren bis nach Berchtesgaden machten, nun? noch mit dem Kinderwagen. Dort verbrachten wir den ganzen Sommer und Herbst bis zum 8. Mai. An diesem Tage traten wir wieder eine längere Fußtour an über Ramsen, Lofer, Prassen(?), Herren-Chiemsee bis Grafing. Von München fuhr ich mit Margarethe voraus nach Berlin, während meine Frau und Gertrud die Einrichtung unserer neuen, eine Etage höher verlegten Wohnung dort abwarteten und erst am 25. Oktober heimkehrten - nach fast 1 ½ jähriger Abwesenheit. 

Während wir bis dahin einer mehr materiellen Weltanschauung gehuldigt hatten, war ... allmählich ein Umschwung in unserem Leben eingetreten. Meine Gattin fühlte sich schon seit dem Sommer 1894 zur katholischen Kirche hingezogen, während ich mich zunächst für spiritistische Schriften, dann, nachdem diese mich wieder abgestoßen, für mystische Schriften beider Confessionen lebhaft interessierte. 

Im Juni 1895 folgten ich und Margarethe einer Einladung nach Holtenau, um der feierlichen Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals beizuwohnen. Schon am 21. Mai hatte meine Gattin mit Gertrud eine längere Reise angetreten, die sie über Eisenach und Hersfeld nach Baden-Baden führte (bis 24. Juni), wo sie einen herrlichen Frühling verlebten. Von dort fuhren sie weiter über Stuttgart und Ulm nach München, wohin ich ihnen mit Margarethe am 9. Juli folgte. 

Nach mehrtägigem Aufenthalt in Starnberg unternahmen wir eine Fußtour von Oberau über Kloster Ettal nach Lindenhof und Schwangau und über Reutte und den Fernpaß bis Nassereith. Per Bahn und Wagen ging's weiter über Landeck bis Pfunds und dann zu Fuß über den Finstermünzpaß in großer Sonnengluth nach Trafoi und aufs Stilfser Joch. Nach 8-tägigem Aufenthalt in Trafoi marschierten wir bis Naturns, wo uns ein drohendes Unwetter zwang, per Wagen Meran zu erreichen. Es folgte eine weitere Fußtour von Sterzing über den Brenner (10. August) bis Steinach, dann von Jenbach um den Achensee, durchs Achental (Prinz-Regent Luitpold auf der Jagd in Fall), über Vorderriß zum Walchen- und Kochelsee, von dort nach Tölz-Krankenheil, wo wir von Mitte August bis Ende September verblieben. 

Ich kehrte am 26. September mit Margarethe nach Berlin heim und meldete sie beim Pastor Fischer von St. Matthaei zum Konfirmandenunterricht an, während meine Frau mit Gertrud einige Tage später von Tölz nach München übersiedelte und uns erst am 16. Oktober nach Berlin folgten. Der am 23. Dezember erfolgte Tod meiner guten Schwiegermutter trübte uns sehr das schöne Weihnachtsfest; seine Folge war unsere vollständige wirtschaftliche Unabhängigkeit. Am 1. Mai, als die Eröffnung der großen Gewerbeausstellung in Berlin stattfand, reiste meine Frau mit Gertrud über Siekholz, Düsseldorf, Cöln und Speyer wieder nach Baden-Baden. 

In ihrer Abwesenheit gelang mir durch Gottes Gnade der Verkauf des Hauses Steinmetzstr. 54, wodurch mir (Anfang 7. Mai 1896/ ...3.Juni) eine große Last von der Seele genommen wurde. Frei von allen materiellen Sorgen, konnte ich mich nun immer mehr meinen religiösen Interessen widmen. Durch die im März gehörten Fastenpredigten des Dominikanerpaters Bonaventura hingerissen, durch die Briefe meiner Gattin gerührt, ertheilte ich ihr am 17. Mai brieflich meine Einwilligung zu ihrer Conversion, worauf sie beim Stadtpfarrer Wintrer(?) in Baden-Baden Unterricht in der katholischen Kirchenlehre nahm. Am 15. Juni (1896) reiste sie von dort über Benson(?) nach München, wo wir am 29. alle zusammentrafen. In Berchtesgaden, wo wir dann den Juli und die erste Hälfte des August gemeinsam verlebten, faßte auch ich endlich nach eingehendem Studium der kath. Lehre den Entschluß, zur katholischen Kirche überzutreten. 

Während ich in Berlin durch Hypotheken...ronen aufgehalten wurde, erfolgte am 29. August Wandas Conversion in Düsseldorf und am folgenden Tage empfing sie, „ein glückliches Kind der hl. Katholischen Kirche“ die erste hl. Communion aus der Hand des Herrn P. Bonaventura, worauf sie über Hersfeld am 8. September heimkehrte, um der Einsegnung unserer älteren Tochter Margarethe in der Matthäikirche am 17. September beizuwohnen. Nachdem ich meine Hypotheken reguliert hatte, verließen wir alle Berlin wieder auf 1 ½ Jahre am 15. Oktober. Zunächst fuhren wir über Hersfeld, Würzburg und Heidelberg nach Baden-Baden, wo wir vom 18. Oktober bis 2. November verblieben. Nach dreitägigem Aufenthalt in Paris und zwei Tagen in Bordeaux erreichten wir am 8. November Toulouse, wo wir vier Wochen bis 1. Dezember verlebten. 

Der eigentliche Zweck dieses Aufenthalts - ich wollte bei Herrn P. Bonaventura Commisionsunterricht nehmen - (P.B. war von Düsseldorf nach Toulouse versetzt worden) - wurde nicht erreicht, da ihm hierfür nicht die genügende Zeit zur Verfügung stand, doch wurde mir vom Prior des Dominikanerklosters gestattet, ihn auf seinen einmal in der Woche stattfindenden Erhohlungsgängen zu begleiten, die für mich äußerst lehrreich waren. 

Meine Frau machte inzwischen mit der kleinen Gertrud zweimal einen Ausflug nach Lourdes. Auf P. Bonaventuras Rath beschlossen wir, zwecks meiner Conversion nach Rom zu gehen. Wir hatten die Absicht, von Marseille zuerst nach Neapel zu fahren, aber es erhob sich in der Nacht vom 2. Zum 3. Dezember ein so heftiger Sturm und wir wurden von der Seekrankheit derartig angegriffen, daß wir in Nizza unser Schiff, einen ....französischen Handelsdampfer, verließen und über Genua direkt nach Rom per Bahn fuhren. 

Am 5. Dezember erfolgte unsere Ankunft in der ewigen Stadt. Unser erster Besuch galt dem St. Petersdom. Wir mieteten ein Privatquartier in der Via della Croce 41 II. und richteten uns dort für den Winteraufenthalt ein. Nachdem wir uns einigermaßen orientiert hatten, nahm ich am 21. den ersten kathechetischen Unterricht bei dem Dominikanerpater Dominicus Scheer, Professor der Theologie und Socius Magistri Generalis. 

Mein Conversionsjahr 1897 begann sehr würdig und bedeutungsvoll, indem wir der Neujahrsmesse des Papstes Leo XIII. in seiner Privatkapelle beiwohnen durften. Mein geistlicher Lehrer fand mich so wohl vorbereitet, daß damit am 6. Januar mein Übertritt zur hl. Katholischen Kirche vor sich gehen konnte und zwar in Gegenwart des Ordensgenerals der Dominikaner, P. Andreas Frühwirth, in seiner Hauskapelle am Fuß des Monte Prucio. Am Dreikönigstag empfing ich die erste hl. Communion und am Nachmittag desselben Tages im Verein mit meiner Gattin die Firmung ebendaselbst durch den Bischof Cassetta. Herr Erzbischof Zardetti war mein Firmpathe. 

Diese Tage waren die bedeutungsvollsten meines Lebens, nicht nur für das Diesseits, sondern auch ganz besonders grundlegend für mein seelisches, ewiges Leben. An diesem Wendepunkt meines Daseins ging mir ein neues, besseres, reineres, frommeres, geistigeres Leben auf, voll gläubiger Gewißheit, zuversichtlicher Hoffnung und heiliger Liebe, ein Leben des Gebets und der Gottesbind?schaft

All meine jahrelang genährten Vorurteile waren geschwunden, meine frühere heftige Abneigung war in bewundernde Liebe zur heiligen katholischen Kirche umgewandelt, mein geistiger Stolz und Starrsinn in Demuth und Dankbarkeit. Welch reiche Nahrung fand meine schon lange nach Erkenntnis und geistlichem Trost dürstende Seele in dem heiligen Rom! Ich ließ mich alsbald in die Rosenkreuzbruderschaft sowie in die Erzbruderschaft vom heiligen Herzen Jesu aufnehmen, besuchte die heiligen Erinnerungsstätten und wohnte am 4. März dem Krönungsfeste des hl. Vaters und am 27. Mai der Heiligsprechung der heil. Zaccaria [Antonius Maria Zaccaria – Anm. Papadopoulos] und Fourrier(?) bei, dem glanzvollsten Feste meines Lebens. 

Aber auch die Stätten der Kunst und Wissenschaft wurden nicht vernachlässigt, und nach 5-monatigem segensreichem Aufenthalt verließen wir endlich am 28. Mai, von der überhandnehmenden Hitze vertrieben, die Hauptstadt der Welt. Während meine Frau mit Gertrud Bologna besuchte, um das Grab des hl. Dominikus zu sehen, besichtigte ich mit Margarethe Florenz. Nach gemeinsamer Fahrt bis Rosenheim trennten wir uns für kurze Zeit. Während Erstere zunächst nach München fuhren, gingen wir anderen direkt nach Berchtesgaden, um dort den heißen Sommer zu verbringen. (1. Juni - 26. Oktober). Wanda und Gertrud verließen am 15. Juli Berchtesgaden, um einen Ausflug nach Baden-Baden zu machen, wo Gertrud am 15. August die Bedingtaufe(?) erhielt; am 22. August kehrte sie zurück. 

Am 5. Oktober verließen sie uns von Neuem und für lange Zeit. Sie kehrten am 18. Oktober nach Berlin heim, um dort der Hochzeit meiner Schwägerin Wally mit Hauptmann a.D. Heinburg (11. September) beizuwohnen. Ich und Margarethe blieben noch bis zum 26. Oktober und reisten dann zum zweiten Winteraufenthalt nach Fasano am Gardasee. Wegen meiner langen Abwesenheit von Berlin trat ich trotz Abredens meiner Kollegen aus dem Vorstande des deutschen Thierschutzvereins zu Berlin, der mich darauf zum Ehrenmitglied ernannte. Das Weihnachtsfest feierten wir in Gemeinschaft des Heinburg'schen Ehepaares, das auf seiner Hochzeitsreise nach Ägypten in Fasano Rast hielt.