2.3. Freiland im wirklichen Leben
Nach der Enteignung wird der Boden, entsprechend den Zwecken der Landwirtschaft, der Bauordnung und der Gewerbe, zerlegt und öffentlich meistbietend verpachtet, und zwar auf 1-5-10 jährige oder lebenslängliche Frist, je nach dem Höchstgebot. Dabei sollen dem Pächter auch gewisse allgemeine Bürgschaften gegeben werden für die Beständigkeit der wirtschaftlichen Grundlagen der Pachtberechnung. so daß er nicht von seinem Pachtvertrag erdrosselt werden kann. Dies läßt sich in der Weise erreichen, daß dem Pächter Mindestpreise für seine Erzeugnisse gewährleistet werden, indem die Währung einfach diesen Preisen angepaßt, oder bei einer allgemeinen Lohnerhöhung die Pacht entsprechend ermäßigt wird. Kurz, da es sich nicht darum handelt, die Bauern zu plagen, sondern eine blühende Landwirtschaft mit einem gesunden Bauernstand zu erhalten, so wird man alles tun, was nötig ist, um Bodenertrag und Pachtzins dauernd in Einklang zu bringen.
Soweit es sich um landwirtschaftliche Zwecke handelt, ist die Ausführbarkeit der Bodenverstaatlichung durch die Erfahrung nach allen Seiten schon bewiesen. Die Bodenverstaatlichung verwandelt den gesamten Grundbesitz in Staatsgüter oder Pachthöfe, und Pachthöfe, teils von Grundeigentümern, teils vom Staate verpachtete, gibt es in allen Teilen des Reiches. Durch die Bodenverstaatlichung wird eine Sache verallgemeinert, die bereits „ist“; und alles, was „ist“, muß auch möglich sein.
Man hat gegen die Pachtgüter eingewendet, daß ihre Bewirtschafter eher zum Raubbau neigen als die heutigen grundbesitzenden Bauern, die für sich den Vorteil aus der guten Erhaltung des Bodens ziehen. Man sagt, der Pächter sauge den Boden aus, um ihn dann aufzugeben und weiterzuziehen.
Das ist ungefähr das einzige, was man gegen das Pachtverfahren einwenden kann; in allen anderen Beziehungen ist kein Unterschied zu finden zwischen Pächter und Grundeigentümer, wenigstens soweit es sich um Wohl und Wehe des Landbaues handelt. Denn beide verfolgen dasselbe Ziel: mit der geringsten Mühe die höchsten Barerträge zu erzielen.
Daß übrigens der Raubbau keine Eigentümlichkeit des Pachtbodens ist, kann man in Amerika sehen, wo die Weizenfarmer den eigenen Boden bis zur Erschöpfung aussaugen. Durch ihre Besitzer ausgesaugte Weizenfarmen kann man zu hunderten für geringes Geld kaufen. In Preußen sollen sogar die Staatsgüter als Musterwirtschaften bezeichnet werden können. Und sie werden doch nur von Pächtern bewirtschaftet.
Jedoch auch den Raubbau durch die Pächter kann man sehr leicht verhindern, indem man :
- dem Pächter den Hof lebenslänglich durch den Pachtvertrag sichert;
- durch gewisse Vertragsbestimmungen den Raubbau unmöglich macht.
Wenn der Raubbau eine Eigentümlichkeit der Pachthöfe ist, so trifft die Schuld regelmäßig den Eigentümer, der dem Pächter den Raubbau gestattet, um für sich selbst, wenigstens für einige Jahre, einen entsprechend höheren Pachtzins zu genießen. In diesem Falle treibt nicht der Pächter, sondern der Grundeigentümer den Raubbau. Oft wünscht auch der Grundeigentümer nicht durch langjährige Verträge sich die Gelegenheit, für einen günstigen Verkauf zu nehmen, und läßt sich darum nur auf kurzfristige Pachtverträge ein. Für solche findet er aber naturgemäß keinen Pächter, der eine auf Verbesserung gerichtete Bodenbehandlung im Auge hat. Die Schuld am Raubbau trifft darum auch in diesem Falle nicht das System der Landpachtung, sondern das des Grundeigentums.
Wünscht der Grundeigentümer den Raubbau nicht, so braucht er das im Pachtvertrag nur zu bemerken. Ist der Pächter vertraglich verpflichtet, die geernteten Futterstoffe selbst zu verfüttern und entsprechend viel Vieh zu halten, kann der Pächter Heu, Stroh und Mist nicht verkaufen, so ist der Boden allein dadurch schon vor Raubbau geschützt.
Wenn man zudem dem Pächter durch den Pachtvertrag die volle Sicherheit gibt, daß er den Hof, wenn er es wünscht, auf Lebenszeit bewirtschaften kann, hat man dem Pächter ein Vorpachtsrecht für seine Witwe oder Kinder eingeräumt, so ist Raubbau nicht mehr zu befürchten, es sei denn, daß der Pachtzins zu hoch bemessen ist, und daß der Bauer keinen Vorteil von der Fortdauer seines Vertrages hat. Für diesen Fall wäre aber obige Pachtbestimmung zur Verhinderung des Raubbaues genügend. Diese läßt sich auch jeder Bewirtschaftungsart in der Weise anpassen, daß dem Pächter, dessen Boden sich nicht für die Viehhaltung, aber wohl für Getreidebau eignet, die Verpflichtung auferlegt wird, dem Boden in Form künstlicher Dünger die Nährsalze wieder zuzuführen, die er durch den Verkauf von Getreide dem Boden entzieht.
Und im übrigen mag noch hier erwähnt werden, daß seit Entdeckung der künstlichen Dünger der Raubbau nicht mehr die Bedeutung hat, wie damals, als man nur die Brache kannte, als Mittel, um den ausgeraubten Boden wieder allmählich fruchtbar zu machen. Damals gehörte ein ganzes Menschenalter dazu, um ein erschöpftes Feld wieder instand zu setzen. Heute erreicht man dies mit künstlichen Düngern im Handumdrehen.
Wenn man als abschreckendes Beispiel auf die Pächterwirtschaft in Irland hinweist, so muß hier an die grundverschiedenen Verhältnisse erinnert werden, die die Bodenverstaatlichung dadurch schafft; daß die Grundrente unter der Bodenverstaatlichung nicht mehr in die Privattaschen wandert, sondern in die Staatskasse, um von dort zurück in irgendeiner Form (Steuererlaß, Mutterschutz, Witwengeld usw.) dem Volke wieder zugute zu kommen. Wenn all das Geld, das die englischen Landlords jahraus, jahrein seit 300 Jahren in Form von Pacht Irland entzogen haben, um es zu verprassen, dem irischen Volke erhalten geblieben wäre, so sähe es sicher anders aus in Irland.
Andere Beispiele, wie das russische „Mir“ und die deutschen Gemeindewiesen, werden angeführt als abschreckende Beispiele der Pachtung; aber hier bestehen der Bodenverstaatlichung gegenüber ebenso wesentliche Unterschiede, wie beim irischen Beispiel. Beim „Mir“ wird regelmäßig alle paar Jahre, sowie durch Tod und Geburt die Zahl der Gemeindeglieder sich verändert hat, das Land neu verteilt, so daß niemand längere Zeit im Besitze desselben Grundstückes bleibt. Alles, was daher der Bauer tun würde, um den Boden zu verbessern, käme wohl dem „Mir“, aber nicht dem Bauer ausschließlich zugute. Dieses Verfahren führt also notwendigerweise zum Raubbau, zur Verwahrlosung, zur Verarmung von Boden und Volk. – Das „Mir“ ist eben weder Gemein- noch Einzelwirtschaft, es hat die Nachteile beider ohne ihre Vorteile. Wenn die russischen Bauern den Boden gemeinwirtschaftlich nach dem Vorbilde der Mennoniten bebauten, so würde der gemeinsame Nutzen sie alles tun lehren, was der Grundeigentümer sonst für die Verbesserung des Bodens zu tun pflegt. Lehnen sie jedoch solche Gütergemeinschaft ab, so müssen sie auch die Folgerungen ziehen und alle Vorbedingungen für die volle Entfaltung der Einzelwirtschaft erfüllen.
Ganz das gleiche haben wir in vielen deutschen Gemeindewiesen, und wenn diese allgemein wegen ihres schlechten Zustandes verschrien sind, so liegt das immer nur an der Kurzfristigkeit der Pachtverträge, die nur Raubbau zuläßt.1Es scheint hier fast so, als wenn die Gemeinderäte absichtlich das Gemeindeeigentum in Mißachtung bringen wollten, um so eine Aufteilung herbeizuführen, wie sie das ja schon früher mit dem gleichen Mittel erreicht haben. Wäre dieser Verdacht begründet, so müßte man den schlechten Zustand der Gemeindeäcker wieder auf das Sondereigentum am Boden (Privateigentum) zurückführen, denn nur die Hoffnung, das Gemeindeeigentum aufzuteilen, hätte dessen Vernachlässigung verursacht. Wenn man den Vorschlag einer Aufteilung der Gemeindewiesen als Hochverrat ahndete und die Wiesen als unveräußerliches Eigentum der Gemeinden erklärte, so würde diesem Übelstand ohne weiteres abgeholfen sein.
Der Pächter muß vor allen Dingen die Sicherheit haben, daß alles, was er an Geld und Arbeit für die Verbesserung des Bodens aufwendet, auch ihm, unmittelbar ihm selbst, zugute kommt, und auf diese Sicherheit muß darum der Pachtvertrag zugespitzt sein. Das ist sehr leicht durchzuführen.
Übrigens lassen sich die wichtigsten Arbeiten, die zur Verbesserung des Bodens verrichtet werden, gar nicht vom Einzelbesitzer und unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes des Privatgrundbesitzes durchführen. Wie will z. B. ein Grundeigentümer eine Straße querfeldein durch das Besitztum seines ihm vielleicht feindlich gesinnten Nachbarn nach seinem Acker bauen? Wie soll man quer durch das Eigentum von 1000 Einzelbesitzern eine Eisenbahn, einen Kanal bauen? Hier versagt der Grundsatz der Teilung und des Privateigentums so vollständig, daß man jedesmal gesetzlich zur Enteignung schreiten muß. Die Deiche zum Schutze gegen Hochwasser entlang der Küste und den Flüssen kann kein Privatmann bauen. Ebenso verhält es sich bei Entwässerung sumpfigen Bodens, wo man meistens keine Rücksicht auf Grenzsteine nehmen kann, sondern die Anlage dem Gelände und nicht den Eigentumsverhältnissen anpassen muß. In der Schweiz hat man durch Ablenkung der Aare in den Bieler See 30 000 ha Land trockengelegt, und an dieser Arbeit waren vier Kantone beteiligt. Der Privatgrundeigentümer hätte hier schlechthin nichts tun können. Sogar das Kantonaleigentum versagte in diesem Falle. Bei der Laufverbesserung des Oberrheins versagte auch noch das Bundeseigentum. Die Sache konnte nur durch Vertrag mit Österreich getan werden. Wie will der Privateigentümer am Nil sich das Bewässerungswasser verschaffen? Will man den Grundsatz des Sondereigentums am Boden auf Waldungen ausdehnen, von denen die Witterung, die Wasserverhältnisse, die Schiffahrt, die Gesundheit des ganzen Volkes abhängen? Selbst die Lebensmittelversorgung des Volkes kann man dem Privatgrundeigentümer nicht in Ruhe überlassen. In Schottland z. B. haben unter dem Schutze des Bodenrechtes einige Lords eine ganze Provinz entvölkert, die Dörfer mitsamt den Kirchen niedergebrannt, um das Ganze in einen Jagdpark zu verwandeln. Dasselbe können auch in Deutschland Großgrundeigentümer tun, dieselben, die angeblich durch die Sorge um die Ernährung des Volkes veranlaßt würden, Zölle für die Verteuerung des Brotes zu fordern. Die Interessen der Jagd, der Fischerei, des Vogelschutzes, sind mit den reinen Grundsätzen des Privatgrundeigentums unverträglich. Und was bei Bekämpfung von Landplagen, wie z. B. der Maikäfer oder Heuschrecken das Privateigentum leistet, das hat man am besten in Argentinien gesehen. Dort begnügte sich jeder Grundeigentümer damit, die Heuschrecken von seinem Felde auf das des lieben Nachbarn zu treiben – mit dem Erfolg, daß sich die Tiere ins Unendliche vermehrten und drei Jahre hintereinander die Weizenernte völlig vernichteten. Erst als der Staat unter Nichtachtung der Eigentumsverhältnisse eingriff und die Heuschrecken vernichten ließ, wo man sie traf, da verschwanden diese. Ähnlich verhält es sich in Deutschland mit allen Landplagen. Was will der einzelne Weinbergeigentümer z. B. gegenüber der Reblausplage ausrichten?
Das Sondereigentum am Boden versagt eben überall dort, wo der Privatmann, wo der Eigennutz versagt, und das trifft in den weitaus meisten Fällen zu, wo es sich um Verbesserungen oder den Schutz des Bodens handelt. Ja, wenn man den Aussagen der Agrarier glauben wollte, müßte man das Privatgrundeigentum überhaupt und allgemein als verloren erklären, denn die sogenannte Not der Landwirtschaft (sprich: Not der Grundrentner) läßt sich ja angeblich nicht anders als durch den gewaltsamen Eingriff des Staates, durch Zölle beseitigen. Was könnte nun der Privatmann, als solcher, zur Hebung dieser Not tun?
Das Sondereigentum am Boden führt durch das Erbrecht mit Notwendigkeit zur Zerstückelung oder zur Bodenverschuldung. Ausnahmen kommen nur vor, wo ein einziges Kind da ist.
Die Zerstückelung führt zu den Zwergwirtschaften und damit zur allgemeinen Verarmung; die Grundstückbeleihung aber bringt den Grundeigentümer in so enge Berührung mit Währung, Zins, Lohn, Frachtsätzen und Zöllen, daß wahrhaftig heute schon vom Privatgrundeigentum kaum noch mehr als der Name übrigbleibt. Nicht mehr Privatgrundeigentum, sondern Grundeigentumspolitik haben wir heute. -
Nehmen wir an, die Preise der Erzeugnisse gingen infolge einer der herkömmlichen Pfuschereien im Währungswesen stark abwärts, wie das schon einmal durch die Einführung der Goldwährung erreicht worden ist. Wie will da der Bauer den Zins für seine Hypothek auftreiben? Und wenn er den Zins nicht bezahlt, wo bleibt sein Eigentum? Wie will er sich anders schützen als durch seinen Einfluß auf die Gesetzgebung, die ihm gestattet, die Währung und dadurch auch die Last seiner Hypothek nach Wunsch zu gestalten? Und wenn der Zinsfuß steigt, wie will er sich auch da wieder des Hammerschlags des Versteigerers erwehren?
Der Grundeigentümer mu sich eben an die Gesetzgebng klammem, er muß Politik treiben, die Zölle, die Währung, die Bahnfrachtsätze beherrschen, sonst ist er verloren. Ja, was wäre der Grundeigentümer ohne das Heer? Der Besitzlose wirft, falls ihm die Fremdherrschaft der Gelben noch unangenehmer als die der Blauen ist, sein Handwerkszeug in die Ecke und wandert mit Frau, Kindern und einem Bündel Windeln aus. Das kann der Grundeigentümer nur, wenn er das Grundeigentum im Stiche läßt.
Also das Privatgrundeigentum bedarf zu seiner Erhaltung der Politik, schon weil es an sich bereits eine Frucht der Politik ist. Man kann sagen, daß der Privatgrundbesitz die Politik verkörpert; daß Politik und Privatgrundeigentum eins sind. Ohne Politik kein Privatgrundbesitz, und ohne Sondereigentum am Boden keine Politik. Mit der Bodenverstaatlichung ist die Politik im wesentlichen erschöpft und erledigt.
Mit der Bodenverstaatlichung verliert die Landwirtschaft jede Beziehung zur Politik. Wie heute schon die Pächter nicht unmittelbar berührt werden durch Währung, Zölle, Löhne, Zins, Frachtsätze, Landplagen, Kanalbauten, kurz, durch die hohe, ach gar so niedrige Politik, weil in den Pachtbedingungen der Einfluß all dieser Umstände schon verrechnet ist, so wird auch mit der Bodenverstaatlichung der Bauer kühl bis ans Herz hinan den Verhandlungen im Reichstage folgen. Er weiß, daß jede politische Maßnahme, die die Grundrente beeinflußt, in den Pachtbedingungen sich widerspiegeln wird. Erhebt man Zölle, um die „Landwirtschaft“ zu schützen, so weiß der Bauer auch, daß man ihm diesen Schutz in einem erhöhten Pachtzins ankreiden wird – folglich ist ihm der Zoll gleichgültig.
Unter der Bodenverstaatlichung kann man, ohne Einzelne zu schädigen, die Preise der Feldfrüchte so hoch treiben, daß es sich noch lohnen wird, jede Sanddüne, Geröllhalde usw. zu bebauen; ja selbst den Kornbau in Blumentöpfen könnte man rechnerisch möglich machen, ohne daß die Bebauer fruchtbaren Landes für sich Vorteil aus den hohen Preisen ziehen würden. Denn der Pachtzins würde der steigenden Grundrente auf dem Fuße folgen. Den Vaterlandsfreunden, die in Sorge sind um die Lebensmittelversorgung des Landes im Kriegsfalle, empfehle ich das Durchforschen dieser hochmerkwürdigen Begleiterscheinung der Bodenverstaatlichung. – Mit einem Zehntel des Geldes, das den Grundrentnern durch die Kornzölle geschenkt wurde, hätte man alles in Deutschland vorhandene Moor-, Heide- und Ödland in Ertragsboden verwandeln können.
Die Höhe der Bahnfrachten, überhaupt die Frachtkosten, die Kanal- und Eisenbahnpolitik, berühren den Pächter nicht unmittelbarer als jeden anderen Bürger; wenn ihm die Politik auf der einen Seite besondere Vorteile eintrüge, so würden ihm diese durch die Erhöhung der Grundpacht von der anderen Seite wieder in eitel Dunst verwandelt werden.
Kurz, die Politik ist mit der Bodenverstaatlichung dem Landwirt persönlich gleichgültig geworden; das Gemeinwohl allein berührt ihn noch an der Gesetzgebung; er betreibt sachliche statt persönlicher Politik. Sachliche Politik ist aber angewandte Wissenschaft, keine Politik mehr.
Man könnte hier einwenden, daß, wenn die Pächter sich langjährige oder lebenslängliche Pachtverträge sichern können, sie hierdurch von staatlichen Maßnahmen immer noch stark genug berührt würden, um versucht zu sein, ihren Sondervorteil dem Gemeinwohl voranzustellen.
Der Einwand ist richtig, aber wenn dies als Übelstand empfunden wird, um wieviel mehr trifft dieser Vorwurf das heutige Privatgrundeigentum, das es gestattet, den Nutzen aus den Gesetzen sogleich im Verkaufspreis des Bodens in bar einzuziehen, wie man das an den durch Zölle hochgetriebenen Bodenpreisen sehen kann. Jedoch läßt sich mit der Bodenverstaatlichung auch dieser letzte Rückhalt der Politik in der Weise beseitigen, daß der Staat bei lebenslänglichen Verträgen sich das Recht vorbehält, die Pacht von Zeit zu Zeit neu von Staats wegen einschätzen zu lassen, wie das ja auch mit der Grundsteuer geschieht. (Bei befristeten Pachtverträgen soll das Pachtgeld vom Pächter selber auf dem Wege der öffentlichen Pachtversteigerung geschätzt werden.) Weiß dann der Pächter, daß alle Vorteile, die er von der Politik erwartet, vom Steueramte wieder beschlagnahmt werden, so versucht er es gar nicht mehr, die Grundrente durch Gesetze zu beeinflnssen.
Wenn wir alle die hier besprochenen Umstände berücksichtigen, so würde ein Pachtvertrag unter der Bodenverstaatlichung ungefähr wie folgt zustande kommen:
Anzeige!
Die hier unter dem Namen „Lindenhof“ bekannte Bauernwirtschaft wird zur öffentlichen Pachtversteigerung ausgeschrieben. Die Verpachtung erfolgt am Martinstag öffentlich und meistbietend.
Der Hof ist auf die Arbeitskraft eines Mannes berechnet; Haus und Stallungen sind in gutem Zustand. Bisherige Pacht 500 Mark. Der Boden ist 5. Güte; das Klima nur für ganz gesunde Naturen.
Bedingungen:
Der Pächter hat sich vertraglich zur Erfüllung folgender Bedingungen zu verpflichten:
- Der Pächter darf keine Futterstoffe verkaufen; er muß so viel Vieh halten, wie nötig, um die gesamte Ernte an Heu und Stroh selber zu verfüttern. Der Verkauf des Stallmistes ist untersagt.
- Der Pächter ist verpflichtet, die durch den Getreideverkauf dem Boden entzogenen Nährsalze diesem in Form künstlicher Düngemittel wieder zuzuführen, und zwar für jede Tonne Getreide 100 kg Thomasschlacke oder deren gleichwertigen Ersatz.
- Die Baulichkeiten in gutem Zustande zu erhalten.
- Die Pachtsumme im voraus zu entrichten oder einen Bürgen zu stellen.
Die Staatsverwaltung verpflichtet sich ihrerseits dem Pächter gegenüber:
- Dem Pächter, solange er seine Verpflichtungen erfüllt, den Hof nicht zu kündigen.
- Der Witwe und den unmittelbaren Erben des Pächters ein Pachtvorrecht in Form eines Nachlasses von 10 % auf das in der Pachtversteigerung erzielte Höchstgebot einzuräumen.
- Den Vertrag auf Verlangen des Pächters jederzeit gegen eine von diesem zu zahlende Entschädigung von einem Drittel der jährlichen Pachtsumme zu lösen.
- Die Bahnfrachtsätze für Getreide während der Dauer des Pachtvertrages nicht zu verändern.
- Eine genaue Lohnermittlung zu führen und bei steigenden Löhnen die Pachtsumme entsprechend zu ermäßigen, wogegen bei fallenden Löhnen der Pachtzins zu erhöhen ist. (Bei lebenslänglichen Pachtverträgen.)
- Etwa notwendig werdende Neubauten gegen eine den Zins der Baukosten ausgleichende Pachterhöhung herrichten zu lassen.
- Den Pächter ohne weitere Zahlung von Gebühren gegen Unfall und Krankheit, gegen Hagel, Überschwemmung, Viehseuchen, Feuer, Rebläuse und sonstige Landplagen zu versichern.
Die für den Nachweis der Ausführbarkeit der Bodenverstaatlichung entscheidende Frage ist nun die: Wird man zu obigen Bedingungen überhaupt Pächter finden? Nehmen wir an, es meldeten sich nur wenige, und der Wettbewerb der Beteiligten wäre dementsprechend bei der Pachtversteigerung nur schwach – was wäre die Folge? Der Pachtzins wäre niedrig, er entspräche nicht der zu erwartenden Grundrente, und die Pächter würden entsprechend größere Gewinne erzielen. Ganz recht, aber muß dieser größere Gewinn nicht anspornend auf alle diejenigen zurückwirken, die sich gerne dem Ackerbau widmen möchten, aber zaghaft zurückhielten, weil sie die neuen Verhältnisse nicht zu übersehen vermochten und darum erst die Erfahrung sprechen lassen wollten?
Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß der Zudrang zu den Pachtversteigerungen schon nach kurzer Erfahrungszeit den Pachtzins auf die Höhe der wirklich erzielbaren Grundrente hinauftreiben würde, und dies um so sicherer, als das Wagnis der Pacht unter den neuen Verhältnissen gleich Null wäre, der Reinertrag der Pachtung nie unter den Durchschnittsarbeitslohn fallen könnte. Dem Bauer wäre der Durchschnittslohn für seine Arbeit unter allen Umständen gesichert, und er hätte obendrein den Vorteil der Freiheit, Unabhängigkeit und Freizügigkeit.
Es sei nur noch bemerkt, daß nach Einführung der Bodenverstaatlichung in jeder Ortschaft ein Bauer wird angestellt werden müssen, der für die Erfüllung der Pachtverträge zu sorgen hat. Dann wird man jährlich in jedem Landesteil (Kreis, Regierungsbezirk) ein Verzeichnis mit Abbildungen über die zur Pachtversteigerung gelangenden Höfe ausarbeiten, alles das enthaltend, was gewöhnlich die Pächter wissen müssen, über Umfang und Lage des Hofes, Art und Preise der Anbauerzeugnisse, über Gebäude, bisherigen Pachtzins, Schulverhältnisse, Witterungsverhältnisse, Jagd, Gesellschaft usw. Kurz, da es nicht Zweck der Bodenverstaatlichung ist, die Bauern zu übervorteilen und zu plagen, so wird man nichts unterlassen, um die Pächter sowohl über alle Vorteile, wie auch über alle Nachteile des Hofes zu unterrichten – welch letzteres seitens der Grundeigentümer heute niemals geschieht. Diese zählen immer nur alle Vorteile auf; über die oft versteckten Mängel, wie z. B. Feuchtigkeit der Wohnung, Nachtfröste usw., muß sich der Pächter, so gut es geht, unter der Hand zu erkundigen suchen.
Mit dem Gesagten glaube ich das Verhältnis der Bodenverstaatlichung zur Landwirtschaft genügend klargelegt zu haben, um jeden instand zu setzen, sich in die neuen Verhältnisse, die die Bodenverstaatlichung auf dem Lande schafft, hineinzufinden. Zusammengefaßt aufgezählt, würde die Bodenverstaatlichung auf dem Lande folgende Wirkungen haben: Keine Privatgrundrenten, folglich auch keine "Not der Landwirtschaft", keine Zölle und keine Politik mehr. Kein Eigentum am Boden, daher auch keine Bodenverschuldung, keine Teilung und Abfindung bei Erbschaft. Keine Grundherren, keine Knechte. Allgemeine Ebenbürtigkeit. Kein Grundeigentum – folglich volle Freizügigkeit mit ihren wohltätigen Folgen für Gesundheit, Sinnesart, Religion und Bildung, Glück und Lebensfreude.
Beim Bergbau läßt sich die Bodenverstaatlichung womöglich noch leichter durchführen als im Ackerbau, da man hier von der Pachtung absehen und die Förderung der Bergerzeugnisse einfach in Verding (Akkord, Submission) geben kann. Der Staat verdingt den Abbau an einen Unternehmer oder an Arbeitergenossenschaften; er bezahlt für jede Tonne einen auf Grund der Mindestforderung vereinbarten Lohn oder Preis – und verkauft seinerseits das Geförderte an den Meistbietenden. Der Unterschied zwischen beiden Preisen fließt als Grundrente in die Staatskasse.
Dieses höchst einfache Verfahren kann überall da ohne weiteres angewendet werden, wo keine besonderen Einrichtungen dauernder Art nötig sind – also z. B. in den Torflagern, Braunkohlengruben, Kies-, Lehm- und Sandgruben, Steinbrüchen, Erdölfeldern usw. Es ist dasselbe Verfahren, das heute schon ganz allgemein in den Staatsforsten eingeführt ist und sich dort in jahrhundertelanger Geltung bewährt hat. Die Forstverwaltung vereinbart mit den Arbeitern in öffentlichem Verding den zu zahlenden Lohn für das Festmeter, und zwar erhält der Mindestfordernde den Zuschlag; dann wird das von den Arbeitern gefällte und in Haufen bestimmter Größe geschichtete Holz öffentlich meistbietend verkauft. Betrug ist so gut wie ausgeschlossen, da, sobald das Maß nicht richtig ist, die Käufer Klage erheben. So wäre es auch im Bergbau. Die Käufer würden selbst die Arbeit in der Grube überwachen. Für die Arbeiter wäre es ein leichtes, sich zu gemeinsamer Arbeit ohne Unternehmer zu vereinigen (was sie allerdings heute noch lernen müßten), da kein nennenswertes Betriebsgeld hier nötig ist. Die Grube gehört dem Staat; die Arbeiter brauchen also nur ihr Handwerkszeug.
In den Kohlengruben, wie überall im Tiefbau, wird die Sache durch die Maschinenanlage verwickelt, doch lassen sich verschiedene Wege einschlagen, die alle gangbar sind:
- Der Staat liefert die Maschinenanlage; er versichert die Arbeiter gegen Tod und Unfall und verfährt im übrigen wie oben, d. h., er gibt die Förderung an einzelne Arbeiter in Verding (Akkord). Dieses Verfahren ist bei den Privat- und Staatsbergwerken heute allgemein im Gebrauch.
- Der Staat liefert wie oben die Maschinenanlage und gibt den ganzen Betrieb in Verding an Arbeitergenossenschaften. Dieses Verfahren ist, soviel ich weiß, nicht in Anwendung; es hätte für kommunistisch gesinnte Arbeiter Vorteile, weil die Arbeiter so lernen würden, sich selbst zu regieren.
- Der Staat überläßt den Arbeitergenossenschaften den ganzen Bergbau mitsamt der Einrichtung. Er bezahlt der Arbeitergenossenschaft einen in öffentlichem Verding vereinbarten Preis für die geförderten Erzeugnisse und verkauft diese seinerseits wieder, wie bei 1 und 2, an den Meistbietenden.
Ein viertes Verfahren, wonach den Arbeitem auch noch der Verkauf überlassen wird, würde sich nicht empfehlen, weil der Verkaufspreis von zu vielen Umständen beeinflußt wird.
Für ganz große Bergwerke mit Tausenden von Arbeitern würde sich Verfahren 1 wohl am besten eignen, für mittlere Betriebe Verfahren 2 und für ganz kleine Betriebe Verfahren 3.
Der Unterschied zwischen Erlös und Förderkosten würde wieder als Grundrente in die Staatskasse wandern.
Für den Verkauf der Erzeugnisse sind zwei Wege zu verfolgen:
- Fester Preis, jahraus, jahrein, für alle Erzeugnisse, bei denen die Natur der Verhältnisse eine unbeschränkte Förderung zuläßt, so daß gewiß ist, daß auch die Nachfrage, die sich zu dem festen Preis einstellt, stets befriedigt werden kann. Gleichmäßige Beschaffenheit der Erzeugnisse ist für dieses Verfahren Voraussetzung.
- Öffentliche Versteigerung; überall dort, wo die Erzeugnisse ungleichmäßig sind und wo die Förderung sich nicht jeder beliebigen oder möglichen Nachfrage anpassen läßt.
Wenn man die Erzeugnisse zu festen Preisen verkaufte, und dabei nicht in der Lage wäre, jede gewünschte Menge zu liefern, so würden sich Wucherspieler (Spekulanten) die Sache zunutze machen. Ist die Beschaffenheit verschieden, so können nur durch öffentliche Versteigerung Beschwerden vermieden werden.
Ein Bodenerzeugnis eigener Art bilden die Wasserkräfte, die in vielen Gegenden schon jetzt eine große Rolle spielen und deren Bedeutung mit den Fortschritten der Technik nur wachsen kann. Für größere Kraftwerke, die der Stadt Licht und Kraft für die Straßenbahnen liefern, wäre die Verstaatlichung wohl das einfachste, besonders deshalb, weil der ganze Betrieb solcher Werke seiner Einfachheit wegen sich dazu eignet. Bei kleinen Wasserkräften, die unmittelbar an Industrien angeschlossen sind, wie Mühlen und Sägewerken, wäre der Verkauf der Kraft zu einem einheitlichen, mit den Kohlenpreisen schritthaltenden Preise angezeigt.
Etwas mehr Schwierigkeit bietet die Bodenverstaatlichung in der Stadt, vorausgesetzt, daß man einerseits nicht willkürlich verfahren, andererseits dem Staate die volle Rente sichern will. Kommt es nicht genau darauf an, so ist das für den größeren Teil der Stadt London angewandte Pachtverfahren ausreichend. Nach diesem Verfahren ist dem Pächter der Boden zu beliebiger Ausnutzung für eine lange Frist (50 bis 70, in London 99 Jahre) gegen einen jährlichen, im voraus für die ganze Pachtzeit bestimmten Zins gesichert. Die Rechte des Pächters sind veräußerlich und vererblich, so daß auch die auf dem Boden errichteten Häuser verkauft werden können. Steigt nun im Laufe der Zeit (und in 100 Jahren kann sich manches ändern) die Grundrente, so hat der Pächter den Gewinn (der, wie das in London der Fall ist, sehr groß sein kann); sinkt die Grundrente, so hat der Pächter den Verlust zu tragen (der ebenfalls sehr groß sein kann). Da die auf dem Boden errichteten Häuser gleichzeitig als Pfandstücke für die richtige Bezahlung des Pachtzinses dienen, so kann der Pächter dem Verluste nicht entrinnen; der volle Mietsertrag der Häuser dient dem Grundbesitzer als Sicherheit.
Wie wir aber an der Geschichte Babylons, Roms, Venedigs ersehen, ist die Geschichte der Städte sehr wechselvoll, und es gehört oft nicht viel dazu, um einer Stadt den Lebensnerv abzuschneiden. Die Entdeckung des Seeweges nach Indien brachte Venedig, Genua, Nürnberg zu Fall und lenkte den Verkehr nach Lissabon; mit der Eröffnung des Suezkanals ist Genua wieder neu erstanden. Ähnlich wird es wohl auch Konstantinopel mit der Eröffnung der Bagdadbahn ergehen.
Auch das muß hier wieder berücksichtigt werden, daß unsere heutigen Währungsgesetze niemanden dagegen schützen, daß nicht morgen auf Betreiben der Beteiligten eine auf fallende Preise gerichtete Währungspolitik getrieben wird, wie das ja schon einmal 1873 geschehen ist, wo man dem Silber das Prägerecht entzog. Die Möglichkeit ist also heute gesetzlich nicht ausgeschlossen, daß morgen auf Wunsch derselben Leute wie damals, auch dem Golde das freie Prägerecht entzogen und dann das Angebot von Gold so beschränkt wird, daß alle Preise um 50 % fallen und das Vermögen der Privatund Staatsgläubiger um 100 % auf Kosten der Schuldner vermehrt wird. In Österreich hat man das mit dem Papiergeld, in Indien mit dem Silbergeld getan, warum sollte man dasselbe Kunststück nicht auch wieder einmal mit dem Golde versuchen?
Also irgendeine Gewähr dafür, daß die Grundrenten die der Pachtung zugrunde gelegte Höhe während der ganzen Pachtzeit beibehalten werden, ist nicht vorhanden. Durch den Einfluß der Politik und tausendfältiger wirtschaftlicher Umstände, wozu noch die Wahrscheinlichkeit tritt, daß die jetzige Landflucht mit der Bodenverstaatlichung sich in eine Stadtflucht verwandelt, wird in jede langfristige Pachtung ein erhebliches Wagnis getragen, und diese Verlustgefahr muß der Verpächter, hier also der Staat, in Form eines erheblich herabgesetzten Pachtzinses bezahlen.
Dann ist auch die Frage zu beantworten, was nach Ablauf der Pacht aus den Gebäuden wird. Fallen dem Staate vertragsmäßig die Gebäude unentgeltlich zu, dann wird vom Pächter der Bau von vornherein auf eine die Pachtzeit nicht übersteigende Dauerhaftigkeit berechnet, so daß der Staat in den meisten Fällen die Gebäude auf Abbruch wird verkaufen müssen. Es hat ja auch Vorteile, wenn die Häuser nicht für die Ewigkeit gebaut werden, denn bei jedem Umbau können die Fortschritte der Bautechnik berücksichtigt werden, aber die Nachteile überwiegen doch stark, wie das bei den französischen Eisen· bahnen der Fall ist. Dort ist auch das Eisenbahngelände vom Staate an Privatgesellschaften auf 99 Jahre verpachtet worden mit der Bedingung, daß nach Ablauf des Vertrages das Ganze kostenlos an den Staat zurückfallen soll. Aber auf diesen Umstand sind nun alle Bahnbauten, wie auch die Instandhaltung, zugespitzt. Man will dem Staate nicht mehr als gerade nötig überlassen, sozusagen einen Greis in den letzten Zügen, altes, verbrauchtes, ausgeleiertes Gerümpel, Trümmer. Und so kommt es, daß infolge dieses leichtsinnigen Vertrages die französischen Eisenbahnen allgemein einen verwahrlosten Eindruck machen – und das jetzt schon, lange vor Ablauf des Vertrages. Ähnlich würde es sicherlich auch ergehen, wenn die Baustellen unter der Bedingung verpachtet würden, daß nach Ablauf des Vertrages die Gebäude dem Staate zufallen.
Besser schon wäre die Bedingung, daß die Gebäude abgeschätzt und vom Staate bezahlt würden. Aber wie soll die Abschätzung erfolgen? Diese kann von zwei Gesichtspunkten aus geschehen:
- nach der wirtschaftlichen Brauchbarkeit (Bauplan, Anlage);
- nach den Baukosten.
Will man ohne Rücksicht auf Brauchbarkeit die Entschädigung einfach nach den Baukosten und dem baulichen Zustand berechnen, so würde der Staat manches nutzlose, verpfuschte Gebäude teuer bezahlen müssen, um es dann abreißen zu lassen. Die Baumeister würden unüberlegte, leichtsinnige Pläne entwerfen, wohl wissend, daß, wie auch der Bau ausfällt, der Staat die Kosten zahlen wird. Wenn man jedoch von den Baukosten absieht und andere Erwägungen bei der Abschätzung zuläßt, so müßten auch die Baupläne dem Staate zur Genehmigung vorgelegt werden. Das führt jedoch wieder zur Beamtenwirtschaft, zur Bevormundung, zu gedankenlosem Tun. Darum scheint mir das Verfahren am vorteilhaftesten, wonach die Baustellen auf unbeschränkte Zeit verpachtet werden, und zwar nicht zu einer für alle Ewigkeit im voraus berechneten Pacht, sondern zu einer in regelmäßigen Abständen von 3, 5 bis 10 Jahren von Staats wegen vorgenommenen Grundrentenschätzung. So wäre das Wagnis der Bauunternehmer in bezug auf den Pachtertrag gleich Null, und der Staat würde die volle Rente einheimsen, ohne sich um die Gebäude weiter kümmern zu müssen. Die ganze Sorge um die beste Ausnutzung des Baugeländes würde auf denen ruhen, die es angeht, auf den Bauunternehmern. Auf völlige Genauigkeit bei der Schätzung der Grundrente und des Pachtzinses kann man natürlich nicht rechnen. Man würde jedoch den Pachtzins immer so berechnen können, daß der Unternehmer seine Betätigungslust an der Sache nicht verliert und auch der Staat nicht zu kurz kommt.
Für die Ermittlung der Grundrente in den verschiedenen Stadtteilen wäre es angezeigt, wenn der Staat in jedem Stadtviertel ein Miethaus für eigene Rechnung errichtete, nach einem auf den höchsten Mietsertrag berechneten Bauplan. Von den eingehenden Mietsbeträgen würde man den Zins der Baukosten (solange Zins bezahlt wird), die Instandhaltung, die nötigen Abschreibungen, die Feuerversicherung usw. abrechnen und den Rest als Normalgrundrente von allen anderen Grundstücken derselben Straße (oder gleicher Lage) als Pachtzins erheben.
Rechnerisch genau wäre natürlich auch so die Grundrente nicht zu ermitteln, da manches hier auf den Bauplan des Mustermietshauses ankäme. Dieser Bauplan müßte darum als Musterplan immer besonders sorgfältig angelegt werden; aber wie er auch ausfallen würde, Grund zur Klage von seiten der Bauunternehmer könnte er nicht geben, da etwaige Mängel dieses Planes nur einen Minderertrag der Miete herbeiführen könnten. Dieser Minderertrag würde aber unmittelbar auf die Grundrente des Musterhauses drücken und so in einem entsprechend niedrigeren Pachtzins für sämtliche Grundstücke wieder zum Vorschein kommen.
Durch dieses Verfahren würde der eigene Vorteil der Bauunternehmer immer aufs engste mit dem guten baulichen Zustand ihrer Häuser, mit wohlüberlegten Bauplänen verknüpft sein – denn jeder Vorzug ihrer Häuser gegenüber dem Mustermietshause würde ihnen persönlich zugute kommen.
Zu erwähnen ist noch, daß der Zinsfuß des Baukapitals, der der Berechnung des Anteils der Grundrente an dem Mietzins zugrunde gelegt wird, das Wichtigste an der ganzen Sache ist, und daß man sich im voraus, d. h. vor Unterzeichnung der Pachtverträge, darüber wird einigen müssen, nach welchen Verfahren dieser Zinsfuß jedesmal ermittelt werden soll. Denn ob man das Baukapital mit 4, 3 1/2 oder 3 % verzinst, ist doch für die Berechnung der Grundrente sehr wesentlich.
Ist z. B. das Baukapital 200 000 M., der Mietsertrag | 20 000 M |
und der Zinsfuß 4%, so ist der Kapitalzins | 8 000 M |
und die Grundrente, d. h. die zu zahlende Pacht | 12 000 M |
Bei 3% würden nur 6000 M. vom Mietsertrag abgehen, was den Pachtzins bis auf 14 000 M. erhöhen würde, ein Abstand, der, wenn er nicht auf eine unanfechtbare, vertragsmäßige Grundlage sich stützt, ein Entrüstungsgeschrei verursachen würde. Für die Stadt Berlin z. B. würde die Anwendung eines Zinsfußes von 3% statt eines solchen von 4% schon einen Unterschied in der Pachtberechnung von 20 Millionen wenigstens ausmachen. Es ist also klar, daß man in dieser Beziehung nichts der Willkür überlassen kann.
Im folgenden, dem Freigeld gewidmeten Teil, werde ich das Verfahren für die Ermittlung des reinen Kapitalzinses eingehend besprechen, und ich verweise hier darauf. Unabhängig davon möchte ich aber hier den Vorschlag machen, als Zinsfuß für das Gebäudekapital den Durchschnittsertrag aller an der Börse gehandelten einheimischen Industriepapiere zu nehmen. Dadurch würde dem Baukapital der Durchschnittsertrag des Industriekapitals gesichert, was die Bauindustrie von jedem Wagnis befreien und diesem Zweige der Industrie zum Wohle der Mieter große Kapitalien zuführen würde. Denn jeder, der eine sichere Anlage vorzieht, würde sein Geld in Häusern anlegen, die ihm immer den Durchschnittsertrag einbringen würden.
Dieser Zinsfuß würde natürlich nur bei Berechnung der Grundrente des Mustermietshauses angewandt werden.
Das Mustermietshaus von 500 Geviertmeter Grundfläche hat an Miete eingebracht | 20 000 M |
Das Baugeld beträgt nach den üblichen Abschreibungen 200 000 M. Der Durchschnittszinsfuß der Börsenpapiere war | 3,25% |
Von der Miete gehen also als Zins des Baugeldes ab | 6 500 M |
somit bleibt als Grundrente 20 000- 6500 = | 13 500 M. |
oder 13 500: 500= 27 M. für das Geviertmeter.
In groben Umrissen und ohne auf die Abweichungen einzugehen, die nur die Erfahrung vorschreiben kann, erhalten wir als Muster eines Pachtvertrages zwischen Staat und Bauunternehmer folgendes:
- Der Staat übergibt dem Bauunternehmer das Grundstück Nr.12 der Claudiusstraße in Erbpacht.
- Die Pacht wird berechnet nach der für das in der gleichen Straße befindliche Mustermietshaus ermittelten Grundrente.
- Als Grundrente für dieses Mustermietshaus wird angesehen: der in öffentlicher Pachtversteigerung erzielte Mietzins, abzüglich x Prozent Abschreibungen, Instandhaltungen und Versicherungen und abzüglich Zins des Baugeldes.
- Als Zinsfuß für das Baukapital wird der jährliche Durchschnittsertrag der an der Berliner Börse gehandelten Industriepapiere angenommen werden.
1 Vom Dorf Thommen in der Eifel, das besonders viel Gemeindeland hat, heißt es in dortiger Gegend: „Wu die heischisch Lüt herkommen.“ (Heischende Leute = Bettler.)
1 Vom Dorf Thommen in der Eifel, das besonders viel Gemeindeland hat, heißt es in dortiger Gegend: ?Wu die heischisch Lüt herkommen.? (Heischende Leute = Bettler.)