(Erstveröffentlichung in der Zeitschrift ?Die Freiwirtschaft? 1921, S. 138.)

In einer Kritik des Freigeldes, die Dr. Heyn im Oktober 1920 in der Zeitschrift ?Technik und Wissenschaft" veröffentlichte, gelangte er zum Schluß, daß von der Verwirklichung der Pläne Gesells abzuraten sei. Er begründete sein Urteil nicht mit einer Begutachtung des Zieles dieser Pläne, sondern damit, daß die empfohlenen Mittel nicht wirksam seien. Er suchte nachzuweisen, daß durch den bargeldlosen Verkehr das Freigeld wirkungslos gemacht werden könnte. In einer Erwiderung, die im 2. Heft 1921 derselben Zeitschrift erschien, zeigte ich, daß bei jeder Hemmung des Geldumlaufes durch die Inhaber der Bankdepositen das im Verkehr befindliche Geld zu den Banken strömt, daß dort die Bargeldbestände zunehmen und daß dann der mit dem Freigeld verbundene Schwundverlust die Banken zwingen würde, entweder das Geld selber in den Verkehr zurückzupressen oder aber den genannten Verlust auf die Depositen abzuwälzen, was dann die Inhaber dieser Depositen veranlassen würde, das Geld durch Herabsetzung ihrer Zinsforderungen dem Verkehr zurückzugeben. In beiden Fällen würde dann der Zweck des Freigeldes doch erreicht werden. Denn mehr, als daß das Freigeld umläuft, wird mit dem Freigeld nicht erstrebt.

Dr. Heyn suchte meine Ausführungen in einer Antwort, die gleich hinter meiner Erwiderung folgte, damit zu entkräftigen, daß er auf Grund des Bankausweises von sieben Berliner Großbanken ausrechnen konnte, der Schwundverlust von 5% im Jahre würde nur etwa 10 Pf. im Jahre für je 100,- RM der Kreditoren ausmachen. Jene sieben Banken hatten nämlich auf 38 179 Mill. M. Kreditoren nur einen Kassenbestand von 2524,8 Mill. M. Aus diesen Verhältnissen folgerte Dr. Heyn, daß man mit einem Verlust von 10 Pf. auf 100,- M. aufs Jahr berechnet, keinen irgendwie ins Gewicht fallenden Druck auf die Depositeninhaber ausüben könnte, und daß der dem Freigeld nachgesagte Einfluß auf den Zinsfuß darum ausbleiben würde.

Die Schwierigkeit, die Dr. Heyn entdeckt zu haben glaubt, entsteht dadurch, daß er drei verschiedenen Personen, dem Depositeninhaber, dem Bankier und dem Bankschuldner gleichzeitig Verfügungsgewalt über dieselbe Geldsumme einräumt. In Wirklichkeit aber kann immer nur der eine der drei Genannten das Geld in seiner Gewalt haben. Nicht gleichzeitig, sondern nacheinander können die drei das Geld besitzen. Nach der Ansicht Dr. Heyns verfügen die Depositeninhaber hier über 38 179 Millionen, die sieben Bankiers über dieselbe Summe und die Schuldner der sieben Bankiers noch einmal über die gleiche Summe!! Dabei sagt uns Dr. Heyn selbst, daß die sieben Bankiers die 38 179 Millionen bis auf einen kleinen Rest von 2524 Millionen in den Verkehr zurückgeworfen haben. Für alle Züge, die der Depositeninhaber macht, muß der Bankier unmittelbar den entsprechenden Gegenzug machen. Kündigt der Depositeninhaber eine Million, so muß der Bankier seinem Schuldner ebenfalls eine Million kündigen. Wollen die Depositengläubiger eine Hausse dadurch erzeugen, daß sie 38 179 Millionen, die sie den Bankiers übergaben, nun selber auf den Markt bringen, so müssen die Bankiers die gleiche Summe dem Verkehr entziehen. Die erstrebte Wirkung wird darum ausbleiben. Für die Währung müssen wir also den Depositengläubiger und den Bankier als eine Person, die Depositen als Kapital des Bankiers betrachten. Die Depositengläubiger scheiden für uns aus. Die Abmachungen zwischen den Bankiers und den Depositeninhabern sind ohne Belang, da sie sich für die Währung gegenseitig aufheben. Sind die 38 179 Millionen etwa auf Abruf hinterlegt, so kann der Bankier diese Gelder auch nur auf Abruf weitergeben. Dann wird der Bankier den größten Teil seiner Gelder in bar, d. h. in Freigeld zur Verfügung der Depositengläubiger halten müssen. Haben aber die Depositengläubiger das Geld auf langes Ziel, etwa ein Jahr hinterlegt, so ist ihnen auch für diese Zeit das Verfügungsrecht über ihr Geld genommen. Im ersten Fall ist es der Bankier, der für den Umlauf des Geldes zu sorgen, der den Verlust aus dem Schwund des Freigeldes persönlich zu tragen hat. Im anderen Fall sorgt der Noteninhaber für den Umlauf des Freigeldes. Ein Drittes gibt es hier nicht. Und eben dieses Dritte, das neutrale Gebiet, wo man über Bargeld verfügen kann, ohne selbst welches besitzen zu müssen, das glaubte Dr. Heyn im Bankdepot entdeckt zu haben. Wie wir sahen, ist das ein Trugbild gewesen. Nur der, der bares Geld in der Hand hat, verfügt wirklich über bares Geld. Meine etwaigen Gläubiger müssen warten, bis der Wechsel verfällt oder eingelöst wird. Dann erst können auch sie die Dinge verrichten, die man mit Freigeld verrichten kann. Dann mögen sie versuchen, ob es ihnen gelingen kann, die Währung aus den Angeln zu heben.

Das Freigeld ist entweder im Verkehr oder auf der Bank. Und wo es sich befinden mag, übt es denselben gleichmäßigen Druck auf den Inhaber aus, immer erinnert es ihn daran, daß das Geld nicht am Umlauf gehemmt werden darf, und immer straft es den hart und nachdrücklich, der dies allgemeine Gesetz mißachtet.

Zum Überfluß sei auch hier noch daran erinnert, daß zum Freigeld auch noch das Währungsamt gehört, das die Aufgabe und die dazugehörigen Machtmittel hat, um alle Anschläge der Börsenminen und Konterminen zu jeder Zeit und in jedem denkbaren Umfang schadlos zum Bersten zu bringen.

Nehmen wir also den Fall an, die genannten sieben Bankiers oder die Depositeninhaber hätten die 38 179 Millionen nach und nach, wie sie so fällig wurden, ohne Rücksicht auf den Schwund gehamstert, weil sie glaubten, daß es ihnen wie früher, so auch jetzt gelingen müßte, den gewöhnten Zins erpressen zu können. Dann hätte sich der Einzug dieser Gelder auf dem Markt bei den Warenpreisen fühlbar gemacht, und dann hätte das Währungsamt eingegriffen und die 38 179 Millionen durch neue Noten ersetzt. Dann hätte das Währungsamt den Druck auf den Kapitalzins ausgeübt, den die Bankiers durch ihre Manöver auszuschalten versuchten. Das Geld der Bankiers wäre brachgelegt, ohne daß sich auf den Märkten irgendwelcher Geldmangel zeigen würde, und zwar solange läge es brach und dem Schwund ausgesetzt, bis daß die Bankiers, durch den Schwund mürbe gemacht, sich zu neuen Verhandlungen auf der Grundlage des gesunkenen Zinsertrages des Realkapitals bereit erklären würden.

Dr. Heyn fragt auch, ?wo sich die großen Vorräte an Bargeld finden sollen, über welche unter dem Einfluß des Schwundverlustes in anderer Weise verfügt werden würde als jetzt?. Er wiederholt, daß die große Masse der Bevölkerung in normalen Zeiten überhaupt keinen Vorrat an Bargeld hat.

Leider unterläßt es Dr. Heyn, uns den Zeitraum zu bezeichnen, den er für normal hält. Versteht er darunter die kurzen Zwischenräume von einer Krise zur anderen, oder sind es längere Perioden? Sind es gar nur Monate oder Jahre? Wir nehmen an, daß Dr. Heyn hier unter ?normalen Zeiten? Verhältnisse versteht, wo das Geld ohne jede Störung, ohne Krisen, ohne Paniken, regelmäßig wie die Erde um die Sonne, seine Kreise durch die Märkte zieht, wo weder Ereignisse in der Politik, in der Wirtschaft, in der Ernte, noch Änderungen im Zinsfuß, in den Dividenden, in der Lohnbewegung, in der Politik der Notenbanken, in der Goldproduktion usw. bestimmenden Einfluß auf die Schnelligkeit, womit das Geld umläuft, ausüben. Dr. Heyn würde es schwer fallen, uns solche Zeitspannen zu nennen. Normale Zeiten in diesem Sinne hat es nie gegeben. Sie gilt es zu schaffen; das Freigeld soll sie schaffen. Heyn betrachtet und behandelt das Geld, als ob wir schon das Freigeld hätten. Darum erscheint es ihm überflüssig, erscheint es ihm schädlich. Er warnt ja davor. Der Geldumlauf, den das Freigeld zu einer konstanten Größe machen will, ist für Dr. Heyn jetzt schon eine solche. Er hat als Syndikus der Handelskammer in Nürnberg die Gelegenheit gehabt, sich mit dem

Wesen der Dinge vertraut zu machen, die man Krisen, Panik, Geldschatzungen, Geldhamsterei, Konjunktursturz usw. nennt. Der von Morgan im Sommer 1907 an der New Yorker Börse durch Geldhamsterei kaltblütig herbeigeführte Krach, sogar die Goldhamsterei im August 1914 ist seinem Gedächtnis entschwunden. Heyn wird hier sagen, daß das eben die anormalen Zeiten seien. Gut, diese anormalen Zeiten sollen aber gerade durch das Freigeld in normale Zeiten umgewandelt werden. Für den Umlauf des Geldes soll es überhaupt keine anormalen Zeiten geben, Zeiten also, wo das Geld gehamstert wird. Das Geld soll unabhängig von allen Ereignissen, von allen Wünschen, unabhängig namentlich auch von den Bewegungen des Zinsfußes mit absoluter Regelmäßigkeit umlaufen. Das ist, was mit dem Freigeld bezweckt und auch erreicht wird.

In betreff der Frage, wo die Geldvorräte seien, die es gilt, dem Einfluß des Freigeldes zu unterwerfen, muß ich sagen, daß mich diese Frage etwas in Erstaunen setzt, da sie vom Syndikus der Handelskammer Nürnberg kommt. Wissen die Kaufleute der alten Handelsstadt Nürnberg nicht, daß die Preise von der Menge und von der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes abhängig sind? Kreist das Geld nur neunmal statt zehnmal im Jahre, so genügt das vollauf, um dieselbe Wirkung auf die Preise auszuüben, wie wenn man 1 Zehntel des Geldes gehamstert habe. Wenn nun heute die Preise sinken oder zu sinken drohen, so überlegt man das einzelne Geschäft länger, als wenn das Umgekehrte der Fall ist. Das Geld kreist langsamer. Nicht nur Morgan arbeitet dann auf eine Krise hin, nein, das ganze Volk unterstützt ihn, ohne zu wollen und ohne es zu wissen, in seinem gemeinschädlichen Unternehmen. Somit sind es nicht einzelne Geldansammlungen, die es gilt, durch das Freigeld im Umlauf zu erhalten, nein, das gesamte im Umlauf befindliche Geld soll kreisen, unausgesetzt kreisen.

Dr. Heyn anerkennt die Quantitätstheorie nicht. Das geht aus dem Schlußsatz seiner Entgegnung hervor, wo er sagt, daß Ein- und Ausfuhr von Gold keinen Einfluß auf die Preise haben. Da diese Sache nicht im Zusammenhang steht mit der hier behandelten Frage, so werde ich bei einer anderen Gelegenheit darauf zurückkommen. Hier möchte ich nur erwähnen, daß es neben der Quantitätstheorie nur noch eine Geldtheorie gibt, die Werttheorie. Heyn war, wie alle aus den Hochschulen hervorgegangenen Nationalökonomen, ein Opfer des Wertaberglaubens, des Wertgespenstes, des Wertnebels. Wer sich in dieses Labyrinth wagt, der verliert die Fähigkeit, einfache Zusammenhänge zu verstehen, dem bleibt das Wesen des Geldes verschlossen, weil es zu einfach ist.