Mit der Einführung von Freigeld ist unser ganzes Programm erschöpft und erledigt. Das Ziel, wonach wir tastend strebten, ist erreicht. Was wir mittels verwickelter, unklarer Einrichtungen, durch Warenbanken und Genossenschaften zu erwirken hofften, nämlich einen vollkommenen Güteraustausch, das bringt uns in der denkbar einfachsten Weise das Freigeld. Wie sagte Proudhon (1):

"In der sozialen Ordnung ist die Gegenseitigkeit die Formel der Gerechtigkeit. Die Gegenseitigkeit ist in der Formel ausgedrückt: Tue anderen, was du willst, daß man dir tue; in der Sprache der politischen Ökonomie ausgedrückt: Tauscht die Produkte gegen andere Produkte, kauft euch eure Produkte gegenseitig ab. Die Organisation der gegenseitigen Beziehungen, das ist die ganze soziale Wissenschaft. Gebt dem sozialen Körper eine vollkommene Zirkulation, d. h. einen exakten und regelmäßigen Tausch der Produkte gegen Produkte, und die menschliche Solidarität ist eingeführt, die Arbeit organisiert."

Gewiß, so ist es; Meister Proudhon hat recht, wenigstens soweit es sich um Arbeitserzeugnisse, nicht um den Boden handelt; aber wie hätte man das erreichen können? Das, was Proudhon selbst zur Erreichung dieses vollkommenen Umlaufs vorschlug, war ja ganz unausführbar; sogar im kleinen hätte eine Warenbank, wie sie Proudhon vorschwebte, kaum bestehen können; wie aber die ganze Volkswirtschaft auf diese Weise einrichten?

Übrigens hätten wir uns fragen müssen, warum wir uns nicht die Waren gegenseitig so abkaufen, wie es deren restloser, regelmäßiger Tausch verlangt. Diese Frage hätten wir doch vor allen Dingen beantworten müssen, ehe wir daran gingen, Vorschläge zu machen!

Zwar wußten oder ahnten wir, daß am Metallgeld etwas nicht in Ordnung sei; nicht umsonst nannte Proudhon das Gold "einen Riegel des Marktes, eine Schildwache, die die Tore des Marktes besetzt, und deren Losung ist, niemand durchzulassen" (2). Aber warum das so war, was eigentlich am Metallgeld falsch war, das wußten wir nicht, das haben wir nie untersucht. Und doch hätten hier unsere Untersuchungen beginnen müssen, wenn wir festen Boden unter den Füßen behalten wollten. Diese Unterlassung führte uns von vornherein auf Abwege. In dem Erheben der Arbeit bzw. der Ware auf die Rangstufe baren Geldes (d. h. des Goldes) erblickte Proudhon die Lösung der sozialen Frage. Warum aber mußten die Waren im Range "erhöht" werden, was war denn am Gold (damals Geld), was es über die Rangstufe der Arbeit erhob?

Hier, in diesem Gedanken, die Ware auf die Rangstufe des Goldes zu erhöhen, lag der Irrtum Proudhons. Er hätte den Satz umkehren und sagen sollen: Wir wollen, daß Geld und Waren auf gleicher Rangstufe umlaufen sollen, daß das Geld den Waren in keiner Lage und unter keinen Umständen vorgezogen werde, damit so Waren zu Geld, und Geld zu Waren werden. Nun gut, so laßt uns doch

das Geld auf die Rangstufe der Arbeit herabsetzen.

Wir können doch an den Eigenschaften der Waren im allgemeinen nichts ändern, ihnen im allemeinen nicht die Vorzüge geben, die das Gold als Ware besitzt. Wir können dasDynamit nicht ungefährlich machen, nicht verhindern, daß Glas bricht, Eisen rostet, Pelzwerk von Motten zerfressen wird. Den Waren haften ausnahmslos Mängel an, sie verderben, unterliegen den Angriffen der Zerstörungsmächte der Natur, - nur das Gold ist frei davon. Dabei hat das Gold noch das Vorrecht, Geld zu sein, daß es als Geld überall verkäuflich ist, daß es sich ohne nennenswerte Kosten von einem Ort zum anderen bringen läßt usw: Wie wollen wir da erreichen, daß die Waren dem Gold gleichgestellt werden?

Aber umgekehrt können wir verfahren und sagen: Das Geld ist anpassungsfähig, man kann damit machen, was man will, da es ja unentbehrlich ist. Setzen wir es auf die Rangstufe der Waren herunter, geben wir ihm Eigenschaften, die alle üblen Eigenschaften der Waren im allgemeinen ausgleichen.

Diesen vernünftigen Gedanken hat nun die Geldreform ausgeführt, und die Folgen zeigen zu unserer Freude und Genugtuung, wieviel Wahrheit und richtige Beobachtung doch in den kernigen Aussprüchen Proudhons steckte, wie nahe er an der Lösung der Aufgabe vorbeirannte.

Mit der Geldreform ist das Geld auf die Rangstufe der Ware herabgesetzt worden, und die Folge ist nun auch, daß die Ware dem Geld in jeder Lage, zu allen Zeiten gleich gestellt wird. Kauft euch eure Sachen gegenseitig ab; sagte Proudhon, wenn ihr Absatz und Arbeitsgelegenheit haben wollt. Das geschieht nun. Im Geld ist nun zugleich Nachfrage und Angebot verkörpert, genau wie zur Zeit des Tauschhandels; denn wer damals eine Ware auf den Markt brachte, brachte eine andere Ware heim. Es ging also immer ebensoviel Ware hinaus wie herein. Dadurch nun, daß mit der Geldreform der Gelderlös sich beim Verkauf von Waren sofort wieder in einen Kauf von Waren verwandelt, bewirkt das Angebot einer Ware eine gleich große Nachfrage. Der Verkäufer, der froh ist, das, was er abzugeben hatte, los zu sein, sieht sich durch die Beschaffenheit des Geldes gezwungen, den Erlös seiner Ware unter allen Umständen dem Verkehr wiederzugeben, entweder durch Kauf von Waren für eigenen Bedarf, durch den Bau eines Hauses, durch eine gediegene Erziehung seiner Kinder, durch Veredelung seines Viehstandes usw. usw., oder aber, wenn nichts hiervon ihn reizt, durch Verleihen seines Geldes an andere, die augenblicklichen Bedarf an Waren, aber kein Geld haben. Entweder - oder, andere Auswege, wie etwa das Aufbewahren des Geldes, das Abhängigmachen des Darlehns von einer Zinsvergütung, das Ankaufen von Waren nur für den Fall eines Gewinnes daran, das vorsichtige Verzögern des Kaufs, das berechnende Abwarten besserer Aussichten usw. usw., das alles gibt es jetzt nicht mehr. "Der Bien muß", so heißt es jetzt. Du warst durch die Natur deiner Erzeugnisse gezwungen, sie zu verkaufen; nun bist du durch die Natur des Geldes gezwungen worden, zu kaufen. Schlag auf Schlag, mit Zwangsläufigkeit folgt Kauf auf Verkauf, geht das Geld von Hand zu Hand. Regelmäßig, wie die Erde im Weltraum um die Sonne kreist, so zieht das Geld seine Kreise auf dem Markte, in guten wie in schlechten Zeiten, bei Sieg und Niederlage. Regelmäßig, wie der Arbeiter seine Kraft, sein Erzeugnis anbietet, wie die Ware nach Absatz ausschaut, ebenso regelmäßig erscheint auch die Nachfrage auf dem Markte.

Der Käufer mag sich wohl anfänglich darüber beklagt haben, daß man ihn jetzt sozusagen zwingt, sich seines Geldes zu entledigen; er nannte diesen Zwang eine Beschränkung seiner Freiheit, einen Anschlag auf das Eigentum. Es kommt eben darauf an, für was man das Geld hält. Der Staat erklärt das Geld für eine öffentliche Verkehrseinrichtung, für deren Verwaltung die Erfordernisse des Verkehrs maßgebend sein sollen. Diese bedingen, daß dem Verkauf von Waren ein entsprechender Kauf von Waren auf dem Fuße folge. Da nun der Wunsch; es möge ein jeder aus eigenem Antriebe und zum allgemeinen Besten das Geld immer gleich wieder in Umlauf setzen, erfahrungsgemäß nicht genügt, um Regelmäßigkeit im Geldumlauf zu erzielen, so hat man den unmittelbar mit dem Geld verbundenen sachlichen Umlaufszwang eingeführt. Das hat geholfen.

Wer übrigens damit nicht einverstanden ist, wer sich die Freiheit nicht nehmen lassen will, mit seinen Eigentum nach Gutdünken und eigenem Ermessen umzuspringen, der kann ja einfach seine eigenen Erzeugnisse, sein unbezweifeltes Eigentum, bei sich zu Hause aufbewahren, um sie erst im Augenblick zu verkaufen, wo er andere Waren braucht. Wenn er lieber Heu, Kalk, Hosen, Tabakspfeifen, kurz, was auch sein Arbeitserzeugnis sein mag, aufbewahrt, als sie im voraus gegen Freigeld zu verkaufen, so kann er es ja tun, niemand hindert ihn daran, niemand wird sich darüber beklagen. Nur wenn er durch das Geld von der Last seiner eigenen Waren befreit wurde, muß er sich der Pflichten erinnern, die er als Verkäufer und Besitzer von Geld übernommen hat, d. h., er soll auch anderen die Wohltaten des Geldverkehrs zukommen lassen. Der Gütertausch beruht doch auf Gegenseitigkeit.

Das Geld soll kein Ruhepunkt im Warenaustausch sein, sondem einfach ein Durchgangsgut. Der Staat verfertigt das Geld auf seine Kosten, und er übt die Oberaufsicht über dieses Verkehrsmittel nicht, damit es zu anderen, den Warenaustausch völlig fremden Zwecken mißbraucht werde. Die Unentgeltlichkeit der Benützung des Geldes wäre auch eine Unbilligkeit, weil die Kosten der Instandhaltung aus den allgemeinen Staatseinnahmen bestritten werden müssen, während viele Bürger nur wenig Gebrauch vom Gelde machen (Urwirtschaftler z. B.). Darum erhebt der Staat für die Benützung des Geldes eine Gebühr von 5% im Jahre. So ist nun der Staat sicher, daß das Geld nicht zum Glücksspiel, zur Ausbeutung, als Sparmittel mißbraucht wird. Nur wer jetzt wirklichen Bedarf an Geld, an Tauschmitteln hat, wer Waren erzeugt und diese gegen andere Waren tauschen will, benutzt noch das Geld. Für alle anderen Zwecke ist es zu kostspielig geworden. Namentlich vom Sparmittel ist das Tauschmittel jetzt scharf getrennt worden.

Es ist eine billige Forderung, die die Geldreform an denjenigen stellt, der seine Waren verkauft hat: kaufe jetzt, damit auch andere die ihrigen los werden. Aber nicht allein billig ist diese Forderung, sondern auch klug. Damit man andere Waren kaufen kann, muß man seine eigenen verkaufen. Kauft also, so könnt ihr alle eure Erzeugnisse verkaufen. Will ich als Käufer Herr sein, so bin ich natürlich als Verkäufer Knecht. Ohne Kauf kein Verkauf, und ohne Verkauf kein Kauf.

Kauf und Verkauf zusammen bilden den Güteraustausch; sie gehören infolgedessen auch unmittelbar zusammen. Durch das Metallgeld waren Kauf und Verkauf oft zeitlich voneinander getrennt, durch das Freigeld fallen sie zeitlich und regelmäßig wieder zusammen. Das Metallgeld trennte die Waren, indem es zwischen Kauf und Verkauf die Zeit, das berechnende Abwarten, Gewinnsucht und tausend, dem Tausche fremde Triebkräfte schob; das Freigeld vereinigt dagegen die Waren, indem es den Kauf dicht auf den Verkauf folgen und fremden Elementen keine Zeit und keinen Raum läßt. Das Metallgeld war, nach Proudhons mehrerwähntem Ausspruch, ein Riegel für den Markt; das Freigeld dagegen ist der Schlüssel.


(1) Diehl: Proudhon, S. 43 und 90. (2) Mülberger: Proudhon, seine Werke und sein Leben.