Das Freigeld wirft alle Vorhersagungen über den Haufen; alles, was seine Gegner von ihm erwartet hatten, erweist sich als falsch. Man hatte gesagt, niemand könne mehr sparen, und der Zins würde, Gott weiß wie hoch steigen. Das Gegenteil ist eingetreten.

Wenn ich jetzt eine Summe Geld erübrigt habe, so mache ich es genau wie früher ich bringe sie zur Sparkasse, und die Sparkasse schreibt mir die Summe in mein Buch ein. In dieser Beziehung hat sich nichts geändert. Man sagte, das Geld würde auch im Sparkassenbuch den Umlaufsverlust mitmachen, aber das ist Unsinn. Die Sparkasse schuldet mir so und soviel Mark deutscher Reichswährung, nicht aber die Zettel, die ich ihr lieferte. Und die Mark der Reichswährung steht über den Zetteln. Wenn ich jemandem einen Zentner Kartoffeln für ein Jahr borge, so wird er mir doch nicht dieselben, inzwischen verfaulten Kartoffeln zurückgeben, sondern einen Zentner neue. Ebenso ist es mit der Sparkasse. Ich borge ihr 100 Mark, und sie verpflichtet sich, mir 100 Mark zurückzuerstatten. Und das kann die Sparkasse auch tun, denn auch sie gibt das Geld zu den gleichen Bedingungen wieder aus, und auch die Handwerker und Bauern, die sich in der Sparkasse mit Geld für ihr Gewerbe versehen, behalten das Geld nicht zu Hause. Sie kaufen damit das, was sie brauchen, und der Umlaufsverlust verteilt sich auf diese Weise auf sämtliche Personen, durch deren Hände das Geld im Laufe des Jahres gegangen ist.

Also in bezug auf die zurückzuerstattende Summe ist alles beim alten geblieben. Aber ich sehe, daß ich jetzt bedeutend mehr sparen kann als früher.

Der Sozialdemokrat erklärte die Erscheinung mit einem allgemeinen Rückgang des Mehrwertes, der, mit dem Rückgang des Zinsfußes schritthaltend, das gesamte Kapital (Mietskasernen, Eisenbahnen, Fabriken usw.) betroffen habe. Der Konsumvereinsbeamte erklärte mir, daß mit dem Freigeld die Handelsunkosten merkwürdigerweise von durchschnittlich 40% auf knapp 10% gefallen seien, so daß ich dadurch allein bei meinen Einkäufen 30% spare. Der Sozialpolitiker wiederum wollte meine größere Sparkraft mit der Beseitigung der Wirtschaftsstörungen erklären. Sie mögen wohl alle drei recht haben. Tatsache ist nun einmal, daß ich statt 100 Mark jetzt 2000 Mark spare und besser lebe als früher. Tatsache ist also, daß das Freigeld das Sparen überhaupt für viele erst möglich gemacht hat.

Wie ging es mir früher mit meinem Sparkassenbuch? Bei jedem politischen Gerüchte stockte der Absatz, fehlte die Arbeit; dann mußte ich zur Sparkasse gehen und Geld abheben. Das warf mich dann immer weit zurück, und manchmal waren Jahre nötig, um die Lücken auszufüllen, die eine Geschäftsstockung in mein Sparkassenbuch gerissen hatte. Die reine Sisyphus-Arbeit! Jetzt habe ich regelmäßige Arbeit, und es kommen keine Rückschläge mehr vor, die mich zwingen, das sauer ersparte Geld wieder von der Sparkasse abzuholen.

Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit bringe ich jetzt monatlich meinen Überschuß zur Kasse. Aber wie es mir ergeht, so scheint es allen zu ergehen, denn es herrscht immer ein ganz ungewöhnliches Gedränge an der Kasse. Die Sparkasse hat schon wiederholt den Zinsfuß herabgesetzt, und sie kündigt eine neue Ermäßigung für nächsten Monat an. Sie begründet das damit, daß die Eingänge die Abgänge fortgesetzt übersteigen. Von 4% ist der Zinsfuß in dieser kurzen Zeit seit Einführung des Freigeldes schon auf 3% gefallen, und es heißt, daß bei Einführung unseres Freigeldes im Weltverkehr der Zins auf Nul1 fallen wird! - Und es wird wohl auch so kommen, wenn die jetzigen Verhältnisse andauern.

Denn während die Eingänge an der Sparkasse fortgesetzt zunehmen, gehen die Gesuche um Darlehn zurück, weil die Handwerker, Bauern und Unternehmer aus denselben Gründen, die mir das Sparen erleichtern, jetzt mit den eigenen Überschüssen ihren Wirtschaftsbetrieb erweitern können.

Die Nachfrage nach Leihgeld geht zurück, das Angebot wächst, - natürlich muß da der Zins fallen. Denn der Zins gibt uns das Verhältnis an, in welchem bei Darlehen das Angebot zur Nachfrage steht.

Der Rückgang des Zinsfußes ist ja bedauerlich vom Standpunkt der schon beschriebenen Seiten meines Sparkassenbuches, aber um so erfreulicher ist er vom Standpunkt der unbeschriebenen. Und diese sind bei weitem in der Mehrzahl. Denn Zins, - was ist denn Zins? Wer bezahlt den Zins? Was ich heute spare, das ist das, was mir von meinem Lohn übrigbleibt, nachdem ich in meinen persönlichen Ausgaben meinen Teil entrichtet habe von den Zinsen, die der Staat und die Gemeinde ihren Gläubigern zahlen müssen, und die von den Kapitalisten gefordert werden für die Benutzung der Häuser, Maschinenanlagen, Vorräte, Rohstoffe, Eisenbahnen, Kanäle, Gas- und Wasser-Anlagen usw. Fällt der Zins, so wird alles entsprechend billiger, und ich werde entsprechend größere Summen sparen können. Meinen Verlust an Zinsen auf die schon gesparten Summen werde ich also tausendfach wiedergewinnen durch meine größeren Ersparnisse. Meine Wohnungsmiete beträgt 25% meines Lohnes und besteht zu zwei Dritteln aus Zins für das Baugeld. Geht nun der Zinsfuß von 4 auf 3, 2, 1 oder 0 v. H. zurück, so spare ich dann 1/4, 1/2, 3/4, usw. der Wohnungsmiete, oder 4 - 16% meines Lohnes allein am Hauszins! Das Häuserkapital macht aber kaum ein Viertel aller Kapitalien aus, deren Zins ich mit meiner Arbeit aufbringen muß. (1) Durch den Rückgang des Zinses auf 0 würde ich also 4 x 16% = 64% meines Lohnes sparen können. Was geht mich da noch der Zins an?

Von meinem Einkommen von M.1000 konnte ich jährlich M.100 sparen. Das machte bei 4% mit Hilfe von Zinseszins in 10 Jahren M. 1236,72. Seit Wegfall des Zinses stieg mein Lohn auf das Doppelte, und so kann ich statt M.100,- nun M.1100 sparen. Das macht in 10 Jahren M. 11000. (2)

Also weit entfernt, mir zu schaden, würde mir der völlige Wegfall des Zinses das Sparen ganz außerordentlich erleichtern. Rechne ich, daß ich 20 Jahre lang arbeite und spare, um dann in den Ruhestand zu treten, so würde ich

mit 4% Zins und Zinseszins.........M. 3 024,48
nach Wegfall des Zinses aber......M. 38 000,-

besitzen. Und wenn ich nun von dem ersteren Betrage 4% beziehe, so macht das 120 Mark im Jahre aus. Überschreite ich diese Summe und greife das Vermögen an, so ist bei einer jährlichen Ausgabe von 360 Mark in 10 Jahren das Vermögen erschöpft, während ich mit den M. 38 000 zehn Jahre lang jährlich M. 3800 ausgeben kann.

So erweist sich also die alte Anschauung, daß das Gold und der Zins das Sparen erleichtern, als Schwindel. Der Zins macht das Sparen für die große Mehrzahl unmöglich. Fällt der Zins auf Null, so wird jeder sparen können, während jetzt nur besonders Befähigte oder Entsagungsmutige diese bürgerliche Tugend üben können.

Genau umgekehrt verhält es sich natürlich bei reichen Leuten oder Rentnern, wenn der Zins auf Null fällt. Da ihr Eigentum keine Zinsen mehr einträgt, und da sie gleichzeitig von den durch die Beseitigung des Zinses erhöhten Löhnen keinen Vorteil haben (weil sie selbst ja nicht arbeiten) so müssen sie notgedrungen von ihrem Besitze zehren, bis er aufgezehrt ist. Zwischen Sparer und Rentner liegt eben ein großer Unterschied. Der Arbeiter spart, und der Zins muß von der Arbeit aufgebracht werden. Rentner und Sparer sind keine Berufsgenossen, sondern Gegner.

Um Zinsen von meinen Ersparnissen von M. 3024,48 beziehen zu können, muß ich meinerseits erst M. 34 976; (also M. 38 000 - M. 3024) Zinsen an die Rentner bezahlen!

Die Rentner mögen den Rückgang des Zinses beklagen; wir Sparer oder sparenden Arbeiter müssen dagegen ein solches Ereignis freudig begrüßen. Wir werden niemals von Renten leben können wohl aber von unseren Ersparnissen, und zwar mit Behaglichkeit bis an unser Lebensende. Wir werden unsern Erben auch keinen Quellschatz (Kapital) hinterlassen; aber haben wir für unsere Nachkommen nicht genug gesorgt, wenn wir ihnen wirtschaftliche Einrichtungen hinterlassen die ihnen den vollen Arbeitsertrag sichern? Allein die Freilandreform verdoppelt das Einkommen des Arbeiters, und Freigeld verdoppelt das Einkommen noch einmal. Dadurch allein, daß ich für die Einführung dieser beiden Neuerungen gestimmt habe, erschloß ich meinen Nachkommen einen Schatz, der ihnen so viel einbringt wie ein Kapital, das dreimal meinen früheren Lohn abwirft.

Im übrigen möge man folgendes nicht vergessen: wenn die Sparsamkeit eine Tugend ist, die man vorbehaltlos allen Menschen predigen kann und soll, so muß diese Tugend auch von allen Menschen geübt werden können, ohne daß daraus jemandem ein Schaden erwachse, oder Widersprüche sich in der Volkswirtschaft zeigen.

Nun heißt in der Einzelwirtschaft sparen = viel arbeiten, viele Waren erzeugen und zu Markte tragen, aber nur wenig Waren kaufen. Der Unterschied zwischen dem Erlös der verkauften eigenen Erzeugnisse und dem Betrag der gekauften Waren bildet die Ersparnis, das Geld, das man zur Sparkasse bringt.

Rechne nach, was geschehen muß, wenn jeder für M.100 Arbeitserzeugnisse auf den Markt wirft, aber nur für M. 90 kauft also M. 10 zu sparen wünscht. Wie kann man diesen Widerspruch lösen und allen Menschen die Möglichkeit geben, zu sparen?

Jetzt ist die Antwort da, der Widerspruch ist durch das Freigeld gelöst. Das Freigeld bringt den christlichen Satz: tue anderen was du willst, daß man dir tue, auf seinem Gebiet zur Anwendung. Es sagt: willst du deine Sachen verkaufen, so kaufe auch du deinem Nächsten seine Sachen ab. Hast du für 100 verkauft, so kaufe auch du für 100. Wenn alle so handeln, wird jeder sein volles Erzeugnis verkaufen, jeder wird sparen können. Andernfalls aber nehmen sich die Sparer gegenseitig die Möglichkeit, ihr Vorhaben auszuführen.


(1) Industrie-, Handels- und landwirtschaftliches Kapital, Staatsschuldenkapital, Verkehrsmittelkapital. (2) Hier wird vorausgesetzt, daß die Warenpreise vom Währungsamt auf gleicher Höhe erhalten werden. Die Ersparnis an den Zinsen, die heute die Preise belasten, drückt sich dann nicht in niedrigen Warenpreisen aus, sondern in steigenden Lohnsätzen. Wenn dagegen mit dem Zins auch die Warenpreise fielen, so würden die Löhne auf gleicher Höhe bleiben. Wegen der fallenden Preise könnten dann die Ersparnisse sich mehren. Aber die so gesparte Summe ließe sich nicht unmittelbar mit der früheren Sparsumme vergleichen, da dieser höhere Warenpreise gegenüberstanden.